Donnerstag, 16. Dezember 2010

Mit Wittgenstein für eine natürliche Schönheit (Update)

Ludwig Wittgenstein hat in seinen Philosophischen Untersuchungen (PU) dargelegt, warum alle Philosophie seiner Meinung nach Sprachkritik sei. Wir würden unsere alltäglichen Begriffe wie "denken", "sein", "wahr" etc. zum Zwecke der Philosophie mit allerlei metaphysischer Bedeutung aufladen und würden uns dann immer neu um das richtige Verständnis dieser Wörter und Ausdrücke streiten. Dies sei allerdings der falsche Weg, da die Philosophie so vor unlösbare Probleme gestellt würde, und es reichen würde zu sagen, dass die Begriffe eben genau das sind, was sie in der alltäglichen Ausdrucksweise bezeichnen statt auf bisher unentdeckte metaphysische Wahrheiten zu verweisen. Nach Wittgenstein täuscht uns die Grammatik unserer Sprache nur vor, dass es eine abstrakte, "die, Wahrheit" oder "das Denken" gibt.
Dies kommt meiner Auffassung, dass es nichts Tiefes an der Schönheit gibt, welches sich genau dann ereignete, wenn wir uns dieser Schönheit mit allerlei kosmetischer Hilfe annäherten. Schönheit ist so eindeutig wie sonst kaum ein alltäglicher Begriff metaphysisch mit Idealen aufgeladen und wird von so vielen Menschen als so fern, aber näherungsweise erreichbar angesehen, dass man meine Argumente scheinbar auch dann noch für sich selbst ablehnt, wenn man ihre Richtigkeit schon eingesehen hat. Der Schönheitsbegriff hat (wie auch der Körperbegriff) keinen höheren Gehalt und keinen tieferen Inhalt als der Begriff der Natürlichkeit; sie ist immer genau dann da, wenn ich mich nicht mehr über mich selbst erhebe, sondern mich und meinen Körper genau so nehme, wie ich bin.

109. ... Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.
110. ... Und auf diese Täuschungen, auf die Probleme, fällt nun das Pathos zurück.
111. [Wittgensteins Gegner behauptet:] Die Probleme, die durch Missdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter der Tiefe. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns, wie die Formen unserer Sprache, und ihre Bedeutung ist so groß, wie die Wichtigkeit unserer Sprache. ...
115. Ein Bild hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unsrer Sprache, und sie schien es uns nur unerbittlich zu wiederholen.
116. ... Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück.
118. ... Aber es sind nur Luftgebäude, die wir zerstören, und wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen.
119. Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend eines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.
125. ... Die bürgerliche Stellung des Widerspruchs, oder seine Stellung in der bürgerlichen Welt: das ist das philosophische Problem.
129. Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen.
131. Nur so nämlich können wir der Ungerechtigkeit, oder Leere, unserer Behauptungen entgehen, indem wir das Vorbild ... nicht als Vorurteil [hinstellen] , dem die Wirklichkeit entsprechen müsse. (Der Dogmatismus, in den wir beim Philosophieren so leicht verfallen.)
132. Die Verwirrungen, die uns beschäftigen, entstehen gleichsam, wenn die Sprache leerläuft, ...
133. Wir wollen nicht das Regelsystem für die Verwendung unsrer Worte in unerhörter Weise verfeinern oder vervollständigen. Denn die Klarheit, die wir anstreben, ist allerdinge eine vollkommene. Aber das heißt nur, dass die philosophischen Probleme vollkommen verschwinden sollen. Die eigentliche Entdeckung ist die, die mich fähig macht, mit dem Philosophieren aufzuhören, wann ich will. - Die die Philosophie zur Ruhe bringt, sodass sie nicht mehr von Fragen gepeitscht wird, die sie selbst in Frage stellen. ...
255. Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit.
309. Was ist dein Ziel in der Philosophie? - Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.

Wenn man das nun auf die Schönheit und auf den Körper bezieht, ergibt sich, in veränderter Reihenfolge, folgender Text:
1. Ich behandle die (Frage nach der) Verschönerung/Kultur; wie eine Krankheit - als ein Therapeut.
2. Meine Idee vom Wald des Warmen Regens ist ein Kampf gegen die Verhexung unserer Natürlichkeit/unseres Körpers durch die Mittel der Verschönerung/Kultur.
3. Eine (falsche) Vorstellung von Schönheit hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unserer Kultur, und sie schien sie (= die falsche Vorstellung) uns nur unerbittlich zu wiederholen.
4. Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen.
5. Die gewöhnliche Stellung der Verschönerung/des Körpers, oder ihre/seine Stellung in der gewöhnlichen Welt, das ist das Problem.
6. Die Probleme, die durch ein Aberkennen eigener Schönheit/Körperlichkeit entstehen, haben den Charakter der Tiefe. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns wie die Formen der Verschönerung, und ihre Bedeutung ist so groß, wie die Wichtigkeit, zur Schönheit zu gelangen.
7. Auf diese Täuschungen, dass Verschönerung zu mehr Schönheit führt, fällt nun das Pathos zurück.
8. Unsere (falsche) Vorstellung von Schönheit/Körperlichkeit ist nur ein Luftgebäude, das ich zerstöre, und ich lege den Grund der Vorstellung frei, auf dem sie stand.
9. Die Ergebnisse meiner Idee vom Wald des Warmen Regens sind die Entdeckung irgend eines Unsinns und Schmerzen, die sich der Körper beim Anrennen an die Grenzen der Verschönerung geholt hat. Sie, die Schmerzen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.
10. Nur so nämlich können wir den Schmerzen, oder der Leere, unserer Behauptungen über Schönheit/den Körper entgehen, indem wir das Vorbild nicht als Vorurteil hinstellen, dem meine verschönernde Wirklichkeit entsprechen müsse. (Die Selbstverachtung, in die Frauen vorm Spiegel so leicht verfallen.)
11. Die Verwirrungen, die mich beschäftigen, entstehen gleichsam, wenn die Schönheit/der Körper leerläuft, also Platz macht für eine metaphysische Aufladung.
12. Ich führe die Schönheit/den Körper von ihrer/seiner metaphysischen, wieder auf ihre/seine natürliche Verwendung zurück.
13. Ich will nicht das Normsystem für die Verwendung der Verschönerung/Kultur verfeinern und vervollständigen. Denn die Realisierung, die ich anstrebe, ist eine vollkommene. Das heißt, dass die Verschönerung und die Kultur vollkommen verschwinden sollen. Die eigentliche Entdeckung ist die, die mich fähig macht, mit dem Verschönern/Kultivieren aufzuhören, und die das Bedürfnis nach Verschönerung/Kultivierung zur Ruhe bringt, so dass die Schönheit/der Körper nicht mehr von Fragen über Verschönerung und Kultivierung gepeitscht wird, die sie/ihn selbst in Frage stellt.
14. Was ist das Ziel meiner Idee vom Wald des Warmen Regens? - Dem Schönen den Ausweg aus der Verschönerung zeigen. Dem Körper den Ausweg aus der Kultur zeigen.

Wir haben gesehen, dass "Schönheit" (genau so wie "Körper") ein Begriff ist, der sich jeder Definition entzieht; es sei denn, man lädt ihn mit einer Bedeutung auf, die aber gar nicht da ist. Die Lösung des Problems der Paradoxie der Würdigung des Körpers merkt man am Verschwinden dieses Problems. Dann zieht sich der Begriff des Körpers und der Schönheit in sich selbst zu sich selbst zusammen und zurück bleibt das "Körpern" im Wald des Warmen Regens.

PS: Wer es jetzt immer noch nicht verstanden hat und immer noch an Verschönerung und Kultiviertheit glaubt, der wird es niemals verstehen...

Update:
114: ... Man glaubt, wieder und wieder der Natur nachzufahren, und fährt nur der Form entlang, durch die wir sie betrachten.
X1: Man glaubt, wieder und wieder der Schönheit nachzueifern, und fährt nur den Formen der Verschönerung entlang, durch die wir glauben, ihr nahe zu kommen.

Update2:
88. ... Ein Ideal der Genauigkeit ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen - es sei denn, du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die dich befriedigt.
X2: Ein Ideal der Schönheit/des Körpers ist nicht vorgesehen; wir wissen nicht, was wir uns darunter vorstellen sollen - es sei denn, du selbst setzt fest, was so genannt werden soll. Aber es wird dir schwer werden, so eine Festsetzung zu treffen; eine, die dich befriedigt.

Das ist wie ein umgeschriebener Satz von Nietzsche:
Was Schönheit ist, das weiß noch niemand, es sei denn derjenige, der versucht, (objektiv) festzulegen, was Schönheit ist.
Erst derjenige begreift, wenn alle Verschönerungen als willkürlich durchschaut sind, dass Schönheit als Begriff mit Natürlichkeit zusammenfällt.
Damit Schönheit wirklich wird, muss sie als zu erreichendes Ideal zu Grunde gehen.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Nicht-optimale Ideale (Update)

In einer seiner im Johannes-Evangelium überlieferten Reden spricht Jesus über das, was seine Jünger nach seinem Tod noch zu ertragen haben werden:
"Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen; es kommt sogar die Stunde, dass jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen Dienst zu tun."

Den Satz kenne ich auch ziemlich gut, meine Varianten gehen so:
"Sie werden ihren Körper aus der Kultur ausschließen; es kommt sogar die Stunde, dass jeder, der seine Natürlichkeit opfert, meinen wird, der Schönheit einen Dienst zu tun."

"Sie werden ihren Körper aus der Kultur ausschließen; es kommt sogar die Stunde, dass jeder, der sich berauscht, meinen wird, seinem Verstand einen Dienst zu tun."

Geht es noch offensichtlicher? Braucht ihr noch Argumente?"Ihr nennt ideal, was euch widerspricht und wehe tut; und nicht anders wisst ihr euch selbst zu lieben, als indem ihr euch selbst vergewaltigt."

Update: Der nachfolgende Satz bei Johannes ist bezeichnend: "Und dies werden sie tun, weil sie weder den Vater noch mich erkannt haben." Wie man das auf meine Sätze übertragt, dürfte klar sein.