Mittwoch, 24. Februar 2010

Sprüche (4)

"Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein." Das ist zwar die Wahrheit in Metropolis, aber damit ist das 'Lebewesen Mensch' noch gar nicht berührt. Wer den Körper auf die Funktionalität der Hände reduziert, der hat den Körper nicht etwa nur reduziert, sondern ihn mal gänzlich vergessen.

"Ich hasse dich Gott, auch wenn es dich nicht gibt..." - Es sollte besser heißen: 'Ich verachte dich Gott, auch wenn es dich gibt..."

Warum lernen wir gerne eine Fremdsprache? Wir wollen Zugriff auf etwas haben, an dem wir uns vorher die Zähne ausgebissen haben. Analog dazu: Warum beginne ich anderen zu helfen, wenn mir selbst niemand helfen kann? Oder: Warum will ich mit jemandem schlafen, den ich mit meinen Gedanken zuvor nicht erreicht habe? - Damit ist alles, mindestens über Sexualstraftäter, gesagt...

Was uns nicht tötet, macht uns toter! - Das furchtbarste an Schicksalsschlägen ist nicht ihr plötzliches Auftreten, sondern die plötzliche Angst vor einem weiteren plötzlichen Auftreten...

Dienstag, 23. Februar 2010

Anbetung


Auf dem Bild sehen wir eine Erdmännchen-Population aus der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen, die es sich bei eisigen Temperaturen unter einer Wärmelampe gemütlich macht. Eigentlich etwas total gewöhnliches...wenn sie nicht ihre Köpfe gen Wärme strecken würden und man als Theologe damit das Gefühl bekommt, dass genau so und nicht anders die religiöse Anbetung funktioniert.
Wir beten das an, was uns Licht und Liebe und Leben spendet, was uns mit positiven Momenten und Gefühlen versorgt.
Wenn es draußen wieder wärmer wird, werden die Erdmännchen wieder anderen Dingen nachgehen und die Zooleitung wird die Wärmelampe wieder abbauen. Wenn es doch bloß so einfach mit Göttern wäre...
Aber wir wissen ja, dass der Mensch notwendigerweise in seinem Leben scheitern muss und sich - positiv gewendet - auf die Bereicherung einlassen darf, die Gott in seiner unendlichen Weisheit und Güte noch für ihn vorgesehen hat. Ich aber will zeigen, dass es auf der Erde von allein warm werden kann, dass es einen Ort gibt, der niemals kalt wird, an dem sich der Mensch mit keiner Kleidung der Welt vor Kälte schützen muss und wo sogar noch der Regen als angenehm warm empfunden wird, wenn sich der Mensch darauf einlässt, er selbst zu werden, Lebewesen zu werden:
Wald des Warmen Regens!

Selbstkreuzigung

"Das, was in uns noch gut und gerecht ist, muss dasjenige in uns kreuzigen, was sich in uns seine eigene Tugend erkämpfen will." - So funktioniert das gute Gewissen. Das ist eine Abwandlung von Nietzsches Spruch, dass es die guten und gerechten Menschen sind, die Pharisäer sein müssen, die die eigenständigen Geister um ihrer selbst willen vernichten wollen.
Wenn man es nun aber auf das Denken des Einzelnen bezieht, dann heißt das aber auch: Es gab kein Stadium, in dem sich der Mensch oder irgendein Tier zuerst nach außen hin entlud, um später dann durch Hemmung alles in sich hinein zu fressen, sondern: Was von außen kommt, das wird entweder abgewehrt oder verschmilzt im besten Falle mit dem Ganzen und setzt ähnlich wie bei einer Kernfusion Energie nach außen hin frei. Foucault wusste am Ende seines Lebens, dass Macht nicht nur hemmend wirken kann, sondern auch Kreativität erzeugt. Aber: Er sah leider nicht, dass diese Kreativität, diese Neuheit der Tugend wieder nur ein Mittel des guten Gewissens ist, sich selbst zu bestätigen. Gegenüber unseren tierischen Verwandten haben wir unser gutes Gewissen um einige Potenzen komplexer gestaltet, das ist der einzige Unterschied - auch sie nämlich machen sich zuerst ein gutes Gewissen und nutzen die ihnen gegebenen Potenzen dafür aus. Wir sind nun also das erste Lebewesen, das nicht nur sein Denken durchkreuzen, sondern auch sein Durchkreuzen noch durchkreuzen kann.
Ist meine die beste (Vorstellung) aller möglichen Welten oder muss ich auf eine andere warten? Wald des Warmen Regens!

Überraschung und Erlösung

In den letzten Sprüchen tauchte dieser Satz noch ohne weitere Kommentierung auf: "Wie kann man jemanden überraschen, der in Gedanken schon alle möglichen Wirklichkeiten vorwegnimmt?" Wandeln wir diesen Satz nun in theologische Rede um: Wie kann man jemanden trösten oder erlösen, der die Struktur der Tröstung oder Erlösung bereits durchschaut, der gar seine eigene Kontingenz mit in seine - entweder durch unbedingten Glauben oder auch den Glauben nicht schmälernden Zweifel - unbedingt gerechtfertigte Hoffnung einrechnet? Man sieht: Egal, wie die Theologen es auch inhaltlich anstellen, wollen sie erreichen, dass sie an sich selbst glauben können. Und wenn ihre Gedanken scheitern, dann nur weil Gott sie im Siegen versöhnt; also wenn sie ein schlechtes Gewissen über den Realitätsgehalt ihrer Aussagen haben, dann nur aus gutem Gewissen!
Deshalb: Wald des Warmen Regens! Da bleibt die Wahrheit nicht einmal unsagbar offen - sie ist eine, die in dem Moment, wo sie gutes Gewissen wird, das Gewissen überwindet und in dem Moment, wo sie feststeht, zum Leben wird...

Montag, 22. Februar 2010

Sprüche (3)

Wie kann man jemanden überraschen, der in Gedanken schon alle möglichen Wirklichkeiten vorwegnimmt?

In den Stellenausschreibungen der Unternehmen taucht oft das Wort "Kreativität" auf, gemeint ist allerdings eine perfekte Effizienz - ein Gleichnis für das gute Gewissen.

Unsere Frage ist nicht mehr, ob Jesus zum Zweck der Erlösung der Menschheit am Kreuz sterben musste, sondern wie viele Erlöser es bereits vor ihm gab, die nicht gekreuzigt wurden?

Das, was in uns noch gut und gerecht ist, muss dasjenige in uns kreuzigen, was sich in uns seine eigene Tugend erkämpfen will. - So funktioniert das gute Gewissen.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Kinder auf dem Spielplatz

Im letzten Sommer ging ich einmal zum nahegelegenen Spielplatz, nahe der Felder, nur 100m von hier entfernt - es sollte mich verändern.
In meinem Zimmer hatte ich mitbekommen, wie die Sonne zum Abend hin weitergewandert war nach Westen und nicht mehr in mein Zimmer schien. Daher ging in barfuß und und kurzen Hosen los, um mich in ihre warmen Strahlen zu stellen und das kräftige Abendrot mit meinen eigenen Augen zu erleben.
Am Spielplatz angekommen blickte ich von einer leicht erhöhten Stelle aus über die Felder hin in die Sonne, es war ein wunderbares Erlebnis. Dann machte ich meine Augen zu, genoss die letzte Wärme des Tages, fühlte mich geliebt von der Welt, ich war ganz in diesem unbeschreiblich schönen Moment versunken.

Doch da geschah es: Einige Kinder waren am Fußball spielen gewesen, sie schossen mir den Ball ans Bein und er blieb bei mir liegen, so dass ich aus meinem Moment herausgerissen wurde und ihnen den Ball wiedergab. Dabei sagte ich ihnen: "Schaut doch einmal, was das für ein großartiger Sonnenuntergang ist - habt ihr so etwas schon einmal erlebt?" Als Antwort kam lediglich: "Ja, das ist toll, dass es so lange hell und warm ist, aber das ist doch wie gestern...eigentlich wars doch die ganze Woche schon so!" Sie spielten einfach weiter und ließen mich ein wenig verwirrt zurück, so dass ich nach weiteren 10min Sonnenbaden den Rückweg antrat und bei meinem Nachbarn vorbeischaute, in dessen Keller eine Netzwerkparty im Gange war. Dort erzählte ich ihnen auch von meinen eben erlebten schönen Momenten. Sie machten sich noch ein wenig über mich lustig, entgegneten dann aber: "Schöne Geschichte, Sebastian, aber das ist doch wohl mindestens die letzten Tage breits so gewesen." Als auch sie einfach weiter spielten, war ich fast verbittert. Wollte denn niemand in meine großartige Lobpreisung der Schöpfung mit einsteigen?

Da erst ging mir selbst die Sonne auf. Wie ein lebendigmachender Lichtstrahl nach einer langen Verfinsterung war mir plötzlich alles klar: Sowohl Kinder als auch Kumpels hatten beinahe die gleichen Worte benutzt, jedoch mit gänzlich anderen Bedeutungen: Während die Kinder das Wetter nicht anders würdigen konnten als es wie die Tage zuvor auszunutzen, war meinen Kumpels das Wetter vollkommen egal. Und ich selbst war noch ein Zwitter zwischen ihnen: Mir konnte das Wetter nicht egal sein, aber für mich folgte lediglich, dass ich passiv verharren wollte, bis die Sonne ihre Ästhetik verloren hatte.

Von diesem Tag an jedoch weiß ich, was Schönheit und Leben ist: Den Reichtum des Lebens als selbstverständlich annehmen UND ihn als Lebewesen ausleben.

Dienstag, 16. Februar 2010

Stätte der Genesung

Bei studivz.net hab ich ein Album eingestellt, in dem einige Regenwald-Bilder zu sehen sind. Das Album beinhaltet auch folgenden Text:

"Wahrlich, eine Stätte der Genesung soll noch die Erde werden."
Ist es nicht komisch, dass die Orte mit der höchsten Biodiversität auch die Orte sind, an denen der Mensch nicht vorkommt, scheinbar nicht vorkommen kann?
Mensch und Natur - wer ist stark genug, diesen Gegensatz aufzuheben?

Überwinde ich diesen Gegensatz bereits oder zementiere ich ihn noch? - Eine schwerere Frage hat sich noch niemand gestellt...

Die Asymmetrie zwischen Freude und Leiden

Ohne genau nachgerechnet zu haben, werde ich mit Sicherheit nicht lügen, wenn ich sage, dass es in jeder Sprache der Welt mehr Begriffe gibt, die unsere negativen Emotionen ausdrücken können als unsere positiven.
Vielleicht kann es grundsätzlich nur negative Emotionen geben, alle positiven wären dann ebenso nur auf dem dialektischen Untergrund möglich, dass man die Niederlage immer schon mitgedacht hätte. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass man das heroische Glück nur dort finden kann, wo die größte Gefahr auf einen lauert?
Möglicherweise kann es auch gar keine Sprache geben, in der mehr positiv als negativ konnotierte Begriffe vorkommen. Zwar nicht aus logischen Gründen, aber doch aus geistimmanenten Gründen. Man könnte sagen: Sobald ein Wesen zur Kommunikation fähig wird, unterhält es sich gerade nicht über die gelungenen Momente des Lebens, sondern eher über die Notlage, den Krampf, das Sterben, das Leiden, das Unterliegen, die Demütigung usw. Sprache selbst ist in dem Fall schon eine Flucht vor der leidenmachenden Realität, eine Folge des Leidens - und jeder Ausdruck von Freude nur ein Schutzmechanismus gegen das eigene Leiden, Ausdruck der Erfahrung vom Ausbleiben des Leidens...

Nun, ich habe damit eine sehr schwere Bürde auf mich genommen, dass ich den Wald des Warmen Regens einst den Ort des "Nicht-einmal-Unsagbaren" nannte. Gegen die negative Theologie gerichtet, die sich selbst den letzten Schritt verweigert, die selbst noch die Gnade Gottes relativieren würden, weil sie ja nie sicher sein könnte, dass sich gerade davon unbedingt angehen lassen dürfe, muss es eine Rechtfertigung der Freude und des Lebens geben, die sich in dem Moment, wo sie ausgesprochen wird, selbst überwindet und schaffend erlöst, so dass einst kein Wort mehr gesprochen werden muss, weil alles schon vollkommen da ist.

Montag, 15. Februar 2010

Dem Menschen-Tiere ein Gedächtnis

"Wie macht man dem Menschen-Tiere ein Gedächtnis? Wie prägt man diesem teils stumpfen, teils faseligen Augenblicks-Verstande, dieser leibhaften Vergeßlichkeit etwas so ein, daß es gegenwärtig bleibt? ... Man brennt etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt: nur was nicht aufhört, wehzutun, bleibt im Gedächtnis."

Wenn wir von gegangenen Dingen sprechen, dann tun wir das, je näher sich die Ereignisse an der Gegenwart bewegen, umso differenzierter.
Wenn wir etwas reden, worüber wir uns gefreut haben, dann fällt das bei den aktuellen Ereignissen sehr differenziert aus. Da war man nicht im Kino, sondern da gab es diese eine bestimmte Szene; da war man nicht feiern, sondern da gab es diese eine spezielle Situation, man war nicht wandern, sondern ganz oben auf dem Gipfel hatte man einen ganz besonderen Moment.
Wenn wir jedoch über unsere Kindheit erzählen, dann machen wir das sehr viel pauschaler. Dann war man auf dem Fußballplatz, schaukeln oder Schlitten fahren. Da gab es keine besondere Höhepunkte, sondern man erlebt alles gleichmäßig wie aus einem Guss. Noch weiter zurück in die Zeit, wo wir uns gar nicht mehr erinnern, kommen wir eben nicht. Da gibt es kein Gedächtnis im eigentlichen Sinne, weil wir noch keinerlei Differenzierung in der Welt wahrgenommen haben, wir bewegten uns da noch "jenseits von gut und böse".

Kurzum: Alles das, woran wir uns erinnern können, beruht auf der Entgegensetzung von gut und böse. Selbst das, wovon uns als Kleinkindern eingeredet wurde, dass wir es gut zu finden haben ("Ui, ist das nicht großartig/ schön/ toll?") legt noch die Richtschnur dafür aus, dass wir einst verantwortungsbewusste Menschen werden - dass wir wissen, was gut und böse ist. Schließlich müssen und wollen wir jedoch unser Gedächtnis trüben, damit wir nicht merken, auf welchem Untergrunde unser ganzes Gedenken fußt.
Ich jedoch - kann nicht mehr zurück. Ich, als einer, der durchschaut hat, dass jede Trübung oder Verschönerung noch mehr von meiner Bejahung des Lebens wegführt, muss mehr wollen, muss die Unmöglichkeit unseres gesamten Denkapparates erweisen, jemals ohne Betäubung der Zweifel ein gutes Gewissen über sein Dasein erlangen. Deshalb nämlich muss und kann der Mensch, wenn er die materiellen Symptome unserer Kultur abgebaut hat, als finalen Akt noch das Denken loswerden, auf dass sich das Denken nie mehr selbst ein Bein stellen muss, indem es befiehlt, dass früher alles besser war, dass in einer fernen Welt alles besser wird oder gar dass Vorfreude doch sowieso die größe Freude ist.

Der natürlich-unnatürliche Tod

Hier wollte ich jetzt eigentlich einen Artikel über das Verhältnis von natürlichem zu unnatürlichem Tod schreiben. Allerdings musste ich dann erfahren, dass Krankheiten auch noch unter den Begriff des natürlichen Todes fallen und meine ganze Überlegung zunächst einmal für die Katz' war.
Der von mir gemachte Unterschied sollte vor allem denaltersbedingten Tod auf der anderen Seite und den vorzeitigen Tod auf der anderen Seite betreffen...
Wahr ist wohl, dass der Mensch zu einem erheblichen Teil natürlich, also ohne direkte meso- oder makrokosmische Einwirkung von außen, stirbt. Wie hoch dabei der Anteil derer ist, die aus Altersgründen sterben bzw. vorher durch eine Krankheit, lässt sich kaum genau auseinander halten, da im Alter vorwiegend Krankheiten auftreten bzw. Krankheiten erst zum Altern führen. So gesehen könnte man entweder sagen, dass es GAR KEINEN altersbedingten Tod gibt oder dass JEDER krankheitsbedingte Tod auch alterbedingt ist, nämlich durch die abnehmende innere Widerstandskraft des Körpers verursacht.

Ich will aber von etwas anderem sprechen: Wenn Tiere, also wilde, frei laufende, nicht domestizierte Tiere, sterben, dann sterben sie nur zu einem marginalen Teil eines altersbedingten Todes. Noch bevor sie ihr eigener Körper vollständig dahinraffen kann, sind sie schon an einer Seuche, an einer Verletzung oder an Nahrungsmittelknappheit gestorben bzw. wurden von anderen Tieren togebissen bzw. aufgefressen. Was ich damit sagen will:

Der so genannte natürliche Tod ist eine alles verdrehende Erfindung der unnatürlichen, kultivierten Welt - in der Natur selbst kommt er gar nicht vor.

Samstag, 13. Februar 2010

Sprüche (2)

Der Wald des Warmen Regens ist in dem Moment real, wo der Mensch nicht mehr in die Natur, sondern die Natur in den Menschen eingeht. Das Lebewesen beginnt genau dort, wo das Wesentliche nunmehr das Eigentliche ist.

Wer seine Instinkte mehrheitsfähig im Zaum hält, dem wird jeder, der sich treiben lässt, wenn nicht zum Triebtäter, so doch mindestens zum Übertreiber.

So ist es wahr gesprochen: Ich liebe dich, denn du rechtfertigst meine Selbstliebe.

Was ist das liebevollste Wort, das man der Welt sagen kann? - Es gibt eine Freude, die größer ist als alle Vorfreude! Und je stärker du dich jetzt schon vorfreuen kannst, desto schöner wird der reale Moment noch sein.

Freitag, 12. Februar 2010

Wahrheit zum Siege

"Und wenn da einmal die Wahrheit zum Siege kam, so fragt euch mit gutem Mißtrauen: »welch starker Irrtum hat für sie gekämpft?«"

Mit diesen Satz aus dem Zarathustra beschreibt Nietzsche den Zustand, der eintritt, wenn eine richtige Entscheidung aus den falschen Gründen, mit den falschen Absichten getroffen wurde. Beispiele umgekehrter Art sind uns sicherlich eher geläufig, wenn nämlich jemand aus einer guten Absicht heraus handelt, aber am Ende alles in Scherben liegt. Den Kommunisten unterstellen wir zum Beispiel lieber gute Absichten als den Nazis, aber das ist eine andere Geschichte...

Wenn ich nun auf das eigentliche Thema zurückkomme: Es gibt sicherlich gute Gründe, Nichtraucher zu sein, nämlich Gesundheit, Geld, Zeit. Und es gibt natürlich ebenso gute Gründe aufzuhören, nämlich Gesundheit, Geld, Zeit.

Und dann gibt es die Gründe, für die man sich eher schämen dürfte, wenn man sich über sie klar würde: Ein Kumpel von mir hatte nämlich deshalb aufgehört zu rauchen, weil es ihm unpassend und peinlich geworden war, der Mehrheitsgesellschaft immer einen Schritt bzw. 5min hinterher zu sein. Der Gruppendruck, der sonst scheinbar immer nur dafür verantwortlich sein soll, dass man mit dem Rauchen anfängt, sollte nun also der Grund dafür sein, dass jemand aufhört.

Angesichts dieses ubertragbaren Einzelfalls sind die nächsten Kampagnen der Bundesregierung gegen das Rauchen nicht mehr weit: "Mein Freund, der Nichtraucher!", "Raucher-befreite Zone". Oder noch etwas rabiater: "Gemeinsam stark gegen den Raucher-Holocaust!"

Mit diesen Gedanken über die staatlich und medial angezettelte Gedanken-Diktatur im Kopf erscheint selbst mir als militantem Nichtraucher das Rauchen plötzlich weit weniger abartig. Allen Unkenrufen zum Trotz könnte es nun - nahe der Ausrottung - beinahe wieder zu Ehren kommen mit den Begriffen, mit denen uns die inzwischen weitestgehend verbannte Tabakwerbung den blauen Dunst einst schmackhaft machen wollte: Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstgenuss.

Aber nein, dazu wird es zum Glück nicht kommen. Wer sich nämlich durch das Rauchen wirklich befreit fühlt, der muss sich zuvor schon ziemlich mies vorgekommen sein, dem ist wohl im wörtlichen Sinne eh nicht mehr zu helfen. Zum Schluss, wenn einem selbst die Gesundheit, die Zeit und das Geld egal sind, gibt es ja noch den einzig überzeugenden, allerletzten Grund, warum man wirklich nicht rauchen sollte: Die Gründe zu rauchen sind alle abartig schlecht! Das ist die Wahrheit!

Umgekehrt gilt aber auch: Lieber gebe ich auf, sie von der Wahrheit zu überzeugen, als dass mir ein Irrtum zum Sieg verhelfen dürfte.

Donnerstag, 11. Februar 2010

"Die Welt ohne uns"

Was würde passieren, wenn von einem auf den anderen Tag kein einziger Mensch mehr auf der Erde leben würde? Dieser Frage ging der amerikanische Journalist Alan Weisman für sein Buch "Die Welt ohne uns" nach. Dafür sprach er mit den verschiedensten Wissenschaftlern und besuchte von Menschen verlassene Orte, um herauszufinden, wie sich die Natur Stück für Stück das zurück holt, was ihr vom Menschen bisher genommen wurde.

Ich will nicht auf die oftmals sehr interessanten Beispiele eingehen, die er auch schon aus aktueller Zeit anführt. Es ist mir nicht einmal wichtig zu kritisieren, dass das Buch mit dem typischen Umweltschutz-Pathos abschließt: Wir sind der Erde zu Dank verpflichtet, weil sie uns allen das Leben ermöglicht. Dagegen steht der Mensch, der sich selbst seiner Grundlage beraubt und dem Planeten Gewalt antut. Zusammen mit einer besseren Technik könnte eine drastische Reduktion der Weltbevölkerung allein die Erde vor dem Kollaps bewahren. Die Konsequenz wäre eine geschrumpfte Menschheit, die ihre Kultur mit der Natur versöhnt hätte.

Lassen wir diesen Traum beiseite, er ist doch wieder nur ein Versuch, die Kultur des Menschen zumindest ansatzweise zu rechtfertigen und sich zuletzt ein gutes Gewissen zu machen. Sieht man jedoch mit einem weiteren Auge in die Welt, einem Auge, das versteht, dass es keine Versöhnung zwischen Kultur und Natur geben kann, sondern die Natur in solch einem Szenario entweder außerhalb oder innerhalb von uns unterdrückt würde, erkennt man, dann man nicht nur einzelne die Symptome einer lebensfeindlichen Welt bekämpfen muss. Man kann nicht einfachhin auf ein gewisses zivilisatorisches Niveau zurück, so dass dann schon alles gut wieder gut würde mit der Welt.

Den bemerkenswertesten Hinweis auf genau diesen Punkt findet man nämlich in der Zeittafel des Verfalls, die zumindest in meiner Ausgabe ganz am Anfang und am Ende des Buches auftauchen. Das, was als größte Gefahr für unseren Planeten gilt, die Atomkraft, das Nutzen fossiler Brennstoffe und das unkaputtbare Plastik, wären nämlich nach relativ schneller Zeit wieder verschwunden.
Blei wird nach 35.000Jahren verschwunden sein, nach 100.000Jahren wird CO² (sofern der Mensch überhaupt etwas damit zu tun hat) wieder die Konzentration prähistorischer Zeiten erreicht haben, Plutonium aus Atomwaffen wird nach 250.000Jahren in der Hintergrundstrahlung nicht mehr aufindbar sein, nach mehereren 100.000Jahren werden sich Mikroorganismen entwickelt haben, die Kunststoffe biologisch abbauen können und mögliche Chemikalien werden nach ca. 7Mio Jahren nur noch von Erdreich bedeckt vorkommen.

Was einen aber ein wenig nachdenklich macht, ist die Tatsache, dass die Bronzeskulpturen aus (vor-)antiken Zeiten auch nach 10Mio Jahren immer noch erkennbar sein werden. Soll das wirklich die Wahrheit sein, dass unsere modernen Fehler eine wesentlich kürzere Halbwertszeit haben als unsere vor tausenden von Jahren gemachten? Müssen wir deshalb vielleicht weniger vor zuküntigen Entwicklungen als vielmehr vor neuen archäologischen Entdeckungen Angst haben, so dass wir uns unüberwindbaren Relikten der Vergangenheit gegenüber sehen?

Fest steht wohl nur eins: Wer ewig in dieser Welt leben will, wer einmal-ewig den einen wiederkehrenden Regenwaldtag als Höhepunkt des Lebens ergreifen will, der muss jede Form der Kultur der Endlichkeit überführen, sie auch praktischerseits vollständig naturalisieren.

Die beinahe unendliche Haltbarkeit der von Menschen produzierten Kulturgüter bedeutet aber auch: Die theologische und philosophische und umweltpolitische Rede von der Endlichkeit des Menschen ist, wenn nicht grundsätzlich schon eine Farce, so doch mindestens eine geheuchelte Naivität. Würde man die Endlichkeit des Menschen ernst nehmen, so folgte daraus in besonderer Weise die Endlichkeit der Endlichkeit.

Nun seht ihr, worauf ich hinaus will: auf eine Welt ohne uns Kulturmenschen und auf eine Welt mit uns Lebewesen.

Wald des Warmen Regens gegen Dionysos und den Gekreuzigten!

Mittwoch, 10. Februar 2010

Zuggespräche

Es gibt Momente, da hörst du eine Aussage von jemandem und du weißt alles über ihn/sie. So auch geschehen letzte Woche im Zug.

Ich schätze, ein 16jähriges Mädchen gibt folgendes von sich:
"Ich freu mich schon so auf den Freitag, dann fahren wir morgens erst mal schön zu Real und kaufen uns voll viel Alkohol. Und abends treffen wir uns dann und saufen uns richtig einen. Das wird so cool!"

Hätte ich sie ansprechen sollen und fragen sollen, ob noch mehr hinter ihr steckt als dieser eine Satz? Eigentlich bestätigt sich meine Vermutung nur immer wieder:

Je weniger Verstand man hat, desto eher ist man auch bereit, ihn fahren zu lassen.

Körperflüssigkeiten

Der jesuanische Vers zu den Speisegeboten fordert zu einer Neubesinnung heraus: "Was zum Mund hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein; sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein" (Mt 15,11). Die Beurteilung unserer Verstrickung mit der Welt ist also das, was erst die Sünde in die Welt bringt. Daneben gibt es aber auch noch die Art der Verstrickung, in der wir etwas aus der Welt aufnehmen, sondern wo der Welt aus uns etwas gegeben wird: unsere lange Zeit verleumdeten Körperflüssigkeiten.

Es gibt etliche "Körperflüssigkeiten", die aus dem Menschen nach außen treten können:
Blut
Eiter
Speichel
Nasensekret (Schnodder und Popel)
Tränenflüssigkeit
Ohrenschmalz
Schweiß
Sperma
Scheidensekret
Regelblut
Urin
Kot
Verdauungssekrete (Magensaft, Gallensaft etc.)
(Rülps, Furz, Mundgeruch, Gähnen)

Man frage sich nun: Wer hat sich für jedes einzelne Ding nicht schon mindestens ein Mal geschämt? Schämen und entschuldigen wir uns nicht fortwährend für uns selbst? - Wer weiß, vielleicht lernen wir uns einmal für die Dinge lieben, die wirklich wir sind und die wir uns nicht nur angeheftet haben?!

Sauberkeit

Wer hörte schon einmal etwas von der Sauberkeit vor dem Waschen? - "Sich seiner Unmoralität schämen: das ist eine Stufe auf der Treppe, an deren Ende man sich auch seiner Moralität schämt." - Ich spreche: Sich seiner Moralität/Sauberkeit schämen: das ist eine Stufe auf der Treppe, an deren Ende man sich gar nicht schämt.
Die Treppe zur Überwindung der Moralität:
I. A) Du hast gefurzt! - "Ja, ich soll mich schämen und das tue ich auch."
B) Du hast gefurzt! - "Ja, es ist so lange schlimm, wie wir in einer domestizierten Welt leben."
C) Du hast gefurzt! - "Ja, ich habe gefurzt."
D) ...
II. A) Du riechst nach Schweiß! - "Ja, ich soll mich schämen und das tue ich auch."
B) Du riechst nach Schweiß! - "Ja, es ist so lange schlimm, wie wir noch stinkende Kleidung tragen."
C) Du riechst nach Schweiß! - "Ja, ich rieche nach Schweiß."
D) ...

Sprüche (1)

Seinen Gegnern Populismus vorwerfen: das heißt, das Volk dümmer nehmen als sich selbst!

Negative Philosophie: jede philosophische Infragestellung der Wirklichkeit mit der Gegenfrage beantworten, ob man damit Geld verdienen kann.

Du sagst, dich interessiert Erlösung nicht: warum sich auch mit Parallelwelten befassen, wenn man ebenso gut diese Welt haben kann? - Das ist nicht einmal nur ein Gleichnis! Ich meine, wie war das gleich noch einmal mit der Verschönerung?

Dienstag, 9. Februar 2010

Nicht das Seelenleben wurde vergessen, sondern der KÖRPER

"Die westliche Zivilisation hat bei all ihren (staunenswerten) Errungenschaften das Seelenleben vergessen. Sie war und ist zu einseitig auf die Revolutionierung der Materie fixiert." Dies schreibt Harald Harzheim in Anlehnung an das Genre des Zombiefilms und konstruiert damit eine Kritik auf die westliche Gesellschaft.

Wenn man aber, wie ich, mit einer größeren Perspektive auf die Kultiviertheit des Menschen schaut, dann liegt der schwerwiegendere Fehler des Menschen nicht darin, den Dualismus zwischen Seele und Materie zur Seite der Materie kippen gelassen, sondern diesen Dualismus überhaupt erst in die Welt gesetzt zu haben.

Wenn man diesen Dualismus nun als real gegeben hinnimmt, dann muss man an obiger Formulierung zumindest noch kritisieren, dass gerade nicht die "westliche Gesellschaft" der Fixierung auf die Revolutionierung der Materie erlegen ist, sondern die menschliche Seele insgesamt. Statt sich die Kantische Frage, was denn der Mensch sei, ernsthaft zu stellen, hat man mittels seiner Seele lediglich geschaut, wie man über die objektive Wirklichkeit, also sowohl über die Materie als auch über die Seelen seiner Mitmenschen Herr werden könne.

Das Umgekehrte ist tatsächlich die Wahrheit: Nicht das Seelenleben wurde vergessen, sondern der Körper. Als der Mensch zum ersten Mal Seele besaß, da hatte die Seele nur noch Augen für sich, da waren plötzlich ganz viele Seelen in der Welt, nämlich in den Bäumen, im Feuer, in heiligen Gegenständen, überall stieß die Seele auf Ahnen und/oder Götter. Als aber die technischen Revolutionen die Seelen in der Materie verschwinden ließen und die Bearbeitung der Welt automatisierten, da verlor die Materie ihre letzte Beziehung zur Seele, da erst wurde sie objektive Wirklichkeit.

Man mache den Vergleich: Heute ist die Materie entweder nur noch eine Ressource oder zusammen gedrängt auf menschenferne Naturreservate oder vollkommen verkümmert (im Menschen). Selbiges könnte man auch von der Seele behaupten: Sie ist für den Menschen nur noch eine Ressource, um möglichst gut abzuschneiden, das Seelische beschränkt sich auf die sonntägliche Auszeit oder den routinemäßigen Besuch beim Psychologen und wird bei den meisten heute gar nicht mehr angetroffen.

Kurzum: Erst wenn der Adam (Mensch) erkennt, dass er selbst zu aller erst Adamah (Erdboden) ist, verliert die Seele ihren gnadenlos überschätzten Besitzanspruch über die Materie und über andere Seelen und erst dann kann sich die Seele wieder mit der Körperlichkeit versöhnen. Vielleicht wird man dann überhaupt erst von Seelenleben sprechen können...

PS: Wenn Körper und Seele zuletzt wirklich eins sind - warum dann nicht gleich nur von Leben sprechen?

Schönheit und Ex-Opfer

1 Verschönerung ist das Gegenteil von Schönheit und nicht ihr Superlativ.
1.1 Für Verschönerung muss man sich für verschönerbar halten, also hässlich finden.
1.2 Je mehr man an Verschönerung glaubt, desto mehr glaubt man tun zu müssen, um zur Schönheit zu gelangen – aber man kommt niemals bei ihr an.
1.3 Auch die Schönheit eines Objektes „an sich“ im willenlosen Anschauen (z.B. Sonnenuntergang) ist noch Verschönerung, weil man sich selbst noch nicht als Maß aller Schönheit erkannt hat.
2 Aus Opfern werden Ex-Opfer.
2.1 Durch meinen Blick auf meine Abhängigkeit und Endlichkeit bekomme ich den Hang, die Wirklichkeit mit meiner Denkbarkeit und Wünschbarkeit zu rechtfertigen.
2.2 So sehr ich aber auch mein Leben bejahen will, so sehr bejahe ich doch nur meinen Ja-Nein-Dualismus, mein gutes Gewissen – und zwar unabhängig vom Inhalt.
2.3 Inhalt und Schönheit bekommt das Leben erst wieder, wenn das gute Gewissen überwunden ist.
2.4 Es zeigt sich, dass jede mögliche Kultur Opferung seiner Schönheit bedeutet.
2.5 Zwar gab es noch nie ein kulturloses Lebewesen, nicht einmal ein Tier, aber dennoch ist Kultur nur eine kontingente Eigenschaft des Lebens.
2.6 Daher schafft man zuerst die physischen Elemente der Kultur ab, so dass die kultiviertesten Menschen sterben und die leiblichsten Menschen leben.
2.7 Als Konsequenz daraus verschwindet auch noch die Kultur im Kopf, das gute Gewissen, der Zwang zur Bejahung, der Glaube an die eigene Sterblichkeit, überhaupt das Denken, weil das nun entdeckte Leben so reich ist, dass das Denken kein „Überlebensvorteil“ mehr ist – eher das Gegenteil.
2.8 Wald des Warmen Regens, äquatorialer Regenwald, Tageszeitenklima, Essen Trinken, Laufen, Rennen, Springen, Klettern und Schlafen
  3 Solange der Wald des Warmen Regens eine Anschauung, ein Ideal bleibt, so ist es die radikalste Form der Kultivierung, der Selbstopferung, der Verschönerung, als Teil meines guten Gewissens Denken par excellence.

Vom Wald des Warmen Regens

Bisher ging es der Menschheit immer nur darum, sich selbst ein gutes Gewissen zu machen; manche Menschen machten sich das gute Gewissen dadurch, dass sie – so gescheitert sie waren – es wenigstens schon einmal versucht hatten; andere gar durch einen Kult des schlechten Gewissens, dass es ja eigentlich an der Zeit wäre, die Welt zu verändern; letztere durch die resignative Haltung, dass diese bereits die beste aller möglichen Welten sei.

 

Nun aber geht die Menschheit an den Ort des Nicht-Einmal-Unsagbaren, der durch meine Denkbarkeit und Wünschbarkeit gerechtfertigt ist und durch seinen unendlichen Reichtum letztlich allen rechtfertigenden Funktionalismus, alles gute Gewissen, in sich und unter sich und hinter sich weiß – und dabei habe ich die Natura naturans weder vergessen noch vergöttlicht! Hiermit untergrabe ich die Alternative zwischen metaphysischem Überstieg und naturalisierenden Identifikationen, weil ihnen gemeinsam war, dass sie beide notwendig unwirklich bleiben mussten. Ja, es konnte niemals das eintreten, wofür sie eintreten, denn sie hatten immer noch einen unüberholbaren Vorbehalt gegen eine unüberholbare Verwirklichung. Gott oder der Himmel oder die beste aller möglichen Welten war bisher nur ein Existenzquantor ohne Satzzeichen oder ein Satzzeichen ohne Existenzquantor. Denn die einen hielten jene Welt entweder für nicht konkretisierbar oder maximal für die zweitbeste Welt, die anderen die besten Welten für immer wieder einander überholbar.

 

Am Ende der Jahr- und Tagzählung aber wird der Wald des warmen Regens als nicht-einmal-unsagbare beste aller möglichen Welten feststehen. Dafür werden die Grenzen abgerissen, die Friedhöfe und Städte abgeschafft, die Kraftwerke und Herstellungs- und Konsum- und Amüsierbetriebe abgebaut, die Uhren und Kalender zerstört, die Böden gereinigt, die Meere und Flüsse befreit, die Tiere ausgewildert, die Nutzpflanzen vertrieben, die Wissenschaft und die Religion durch sich selbst überwunden und letztlich durch dies alles und mit allem und in allem der Mensch mit sich selbst vereint und lebensfähig gemacht. Kommen aber Leute zu mir, um mich zu fragen: „Ist deine die beste (Vorstellung) aller möglichen Welten oder sollen wir auf eine andere warten?“, so werde ich ihnen antworten: „Seht doch hin; Urin und Schweiß sind sauberer als Wasser und/denn die Menschen sind nackt, sie gehen sich und/als die Welt unbedingt an, wahrlich, aus Opfern wurden Ex-Opfer.“

Die Anzahl der menschlichen Lebewesen entspricht dann………

 (Hier fehlt noch die konkrete Verwirklichung – Und wehe denen, die hier nicht nur die Offenheit empirisch darlegen, sondern sie sogar einfordern!)

„Und wie verhindern wir dann noch ein für alle Mal, dass jemals wieder Affen zu Menschen werden und aus dem Paradies hinausgehen?“ – „Aber wer so fragt, stirbt sowieso vorher…“

Der bis heute immer wieder gemachte Fehler unserer Denker lag darin, dass alle existenziellen Untersuchungen Herkunft oder Ziel dieser Welt entweder auf ein letztes Ideal hin zusammenführten oder genealogisch auseinander differenzierten oder gar schließlich im Gottesbegriff die Synthese des Dualismus von Einfachheit und Komplexität/Reichtum schon ausreichend erschien. Statt jedoch auf diese Weise das Universum der Relationen heilsam umfasst und die Sünde dadurch a priori aus der Welt geschafft zu haben, steigerten sie diese sogar noch, als sie begreifen mussten, dass letztlich nichts von alledem (über alle Maßen) hielt, was man (sich) versprach, wodurch sie in der Folge beinahe zwangsläufig die Vorfreude als die größte Freude ansetzten. Weil ihnen ein Gewinn an Erkenntnis nur noch negativ, durch Ausdifferenzierung und Falsifikation, möglich schien, hangelten sie sich von einer Enttäuschung zur anderen – sie blieben ihr auf der Spur –, so dass unaufhaltsam alte und neue, in allen Fällen jeweils verfehlte, Hoffnungen und Ziele produziert und reproduziert wurden – bis zum allerletzten Irrweg, dass das, was sich nicht realisieren ließ, eben offen bleiben müsse. Aber wenn sich das Universum der Relationen tautologisch in sich selbst zu sich selbst zusammenzieht und sich in ihm der Bedeutungsgehalt bis zur Implosion ausdehnt; wer verspricht dem Menschen dann noch, dass sowohl der Eigner seiner Welt nicht in sein schöpferisch-sterbliches Nichts zurückkehrt als auch dass Vorfreude nicht die größte Freude ist und dass dem guten Gewissen nicht wieder aus gutem Gewissen das Vertrauen gekündigt wird, sondern dass in diesem Augenblick in letzter Konsequenz als ein Ende und ein Anfang und als Höhepunkt des Lebens alles gesagt ist und nie wieder gesprochen und versprochen, ja nicht einmal mehr geschwiegen und gefreut werden muss, weil sich nichts mehr erfüllen kann und muss, weil ein unendlicher Reichtum unüberholbar einfach da ist?

Jeder Tag ist unüberholbar der Höhepunkt des Lebens.
Jeder Tag ist der Höhepunkt des Lebens.
Der Tag ist der Höhepunkt des Lebens.
Der Tag ist das Leben.
Das Leben.
Leben. Welt. Wirklichkeit. Ich. Mensch. Menschheit. Gott. Wald des warmen Regens.

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Das Leben zieht in jedem Augenblicke seine letzte Konsequenz.
Das Leben zieht in jedem Augenblicke seine Konsequenz.
Das Leben zieht im Augenblicke seine Konsequenz.
Das Leben zieht seine Konsequenz.
Das Leben ist seine Konsequenz.
Das Leben.
Leben. Welt. Wirklichkeit. Ich. Mensch. Menschheit. Gott. Wald des warmen Regens.

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Von mir

Als ich als Anfang und Ur-sprung und Schöpfungsakt vor aller Erfahrung meine Entschei-dung für mich traf, da wählte ich das erste und letzte Mal frei, es war die unmittelbare und unvermittelbare Entscheidung, das Vorurteil, der Vertrauensvorschuss und Geltungsanspruch für mich oder für ein Nicht-Ich. Es war meine Entscheidung, wer für die Schöpfung zu verantworten sei; und ich entschied mich für – mich. Dies ist der Punkt in meinem Dasein, an dem sich das Dasein selbst entscheidet. Denn wie könnte ich gerade jetzt ein Nicht-Ich realer nehmen - als mich selbst? Müsste ich mich nicht längst schon bei mir über mich selbst entschieden haben, bevor ich über andere Dinge entscheiden könnte: erster Sieg.

Wie könnte ich einen hyperrationalen Gott als das Erste aller Wirklichkeit wahrnehmen? Wohl doch nur, wenn ich selbst schon da bin; ich selbst bin be-gründender Schöpfer und Schöpfung und Erstgeborener der Schöpfung: zweiter Sieg.

Wie könnte ich den Tod Gottes mit einer objektiven oder mit einer irrationalen Welt, einem ‚Nichts’, überwinden? Hätte ich nicht wieder einen wi(e)dervernünftigen Grund an die Stelle Gottes gesetzt? Ich kann die Welt ja erst dann wahrnehmen, wenn ich schon ‚in’ der Welt bin; ja, bedeutet Weltwahrnehmung nicht gar, dass die Welt in diesem Moment nirgendwo anders ist als in mir? Daher störe ich mich auch nicht daran, dass mir die Welt oftmals widerspricht; denn ich ent-wickle die Welt ja gerade erst durch mein Ungleich-Setzen des Ewig-Gleichen. Selbst die schlechteste aller möglichen Welten ist demnach immer nur als meine Welt denkbar, ein mögliches Fatum auch immer nur als mein Fatum: dritter Sieg.

Wie könnte das Leben realer sein als ich selbst? Kann ich das Leben nicht erst dann wahr-nehmen, wenn ich schon am Leben bin; ohne mich kann ich mir das Leben nicht vorstellen; das Leben ist immer nur als mein Leben verständlich: vierter Sieg.

Wie könnte die Logik realer sein als ich selbst? Was beim logischen Urteil in mir geschieht, geht deutlich über das hinaus, was manch einer als Bedingungen der Möglichkeit ansieht. Es steckt demnach sehr viel Logik dahinter, wenn Trinker oder Kiffer ihren Horizont erweitert glauben, indem sie sich von einer himmelhohen Wassersäule in ein knöcheltiefes Meer verwandeln. Aus den besten Gründen folgt eben doch die beste Überzeugung: fünfter Sieg.

Wie könnte die Vergangenheit realer sein als meine Gegenwart? Erinnerung, verstanden als meine Vergangenheit, ist in jedem einzelnen und ewigen Moment immer wieder Projektion  aus meiner gegenwärtigen Realität. Wenn ich schließe, dass ich nur aus Genen und einer sozialen Umwelt bestehe, muss ich für diesen Schluss ja schon lange ich selbst sein. Von der Vergangenheit kann ich keine unvermittelte Wahrnehmung haben, deshalb ist sie jedes Mal aufs Neue meine höchst aktuelle Fiktion; sie bekommt erst dann Raum im Denken, wenn sich die Kraft zur Schaffung der Gegenwart aus dem ‚Nichts’ abgeschwächt hat: sechster Sieg.

Wie könnte mein bewusstloser Schlaf realer sein als ich selbst? Denn ich wache nach dem Einschlafen direkt wieder auf, wenn ich nicht träume; mein Traum aber kommt nicht ohne mich als Träumenden aus und die wache Wirklichkeit nicht ohne meine tragende Präsenz. In einem Traum bewältige ich nicht die Vergangenheit, stattdessen ist er ein Wink frühreifer Gegenwart. Denn im ‚Schlaf’ sammelte ich höchstens wie ein Embryo elektrische Spannung und noch in mir schweigende Unerbittlichkeit an, die beim Aufwachen Geburt und Urknall in einem sind, wodurch ich die Wirklichkeit mit meiner Denkbarkeit und Wünschbarkeit schaffe. Das Unbewusste und die logisierten, fixierten Dimensionen der Welt selbst konnten eben nur deshalb so überwältigend gedeutet werden, weil beides auf dem gleichen Irrtum der Fremdbestimmung und Fremdbe-gründung basiert: siebter Sieg.

Wie könnte mein möglicher, antizipierter Tod realer sein als ich selbst? Er ist ein radikales Vorurteil; denn wenn ich im Leben bin, kann ich von ihm keine Erfahrung machen. Ich kann nur mein Leben er-leben; wäre ich tot, so hätte ich immer noch keine Erfahrung von ihm, weil ich für diese Erfahrung immer noch leben müsste; die Welt würde in mir untergehen, aber nicht ich in der Welt; aber solch ein Moment ist wieder eine antizipierte Fiktion: achter Sieg.

Wie könnte ich andere Menschen mir gegenüber realer oder zumindest gleichwertig nehmen? Es ist auch hier ein fatales Vorurteil, dass die anderen so viel ‚Subjektivität’ besitzen wie ich selbst. Mit der objektiven Wahrheit ist nämlich auch die subjektive abgeschafft. Wo ihr noch von Subjektivität und Individualität und Relativität redet, da sage ich einfach nur – ich. Es ist mein Akt höchster Selbstbesinnung der Menschheit – von mir – und der höchste gesunde Menschenverstand, aber – oder deshalb – eben kein common sense: neunter Sieg.

Wie könnte mir die Natur vorgeben, wie ich leben und denken soll; naturalistischer Fehl-schluss. Wie könnte mir eine göttliche Natur vorgeben, wie ich leben und denken soll; supernaturalistischer Fehlschluss. Aber in jedem meiner Schlüsse steckt sehr viel mehr selbst-behauptende Präskription als Deskription: So und so sehe ich es. Deshalb ist es so und so von Natur aus. Und deshalb soll es so und so sein, wie ich es sehe und wie es von Natur aus gedacht und gewollt ist; hypernaturalistischer (Fehl-)Schluss: zehnter Sieg.

Wie könnte meine Sprache mir selbst und den Dingen unangemessen sein? Begreift der Sprechende sein Gedachtes etwa erst, nachdem er seinen ausgesagten Satz gehört hat? Um so sprechen zu können, müsste ich von einem außersprachlichen Standpunkt bestimmen können, was Unangemessenheit bedeutet, so dass ich keinerlei Gründe dafür habe anzunehmen, dass es eine Dissonanz zwischen dem Gedanken, dem Begriff und dem Ding selbst gibt; ich kann ja kaum anders über ein Ding sprechen als wie ich über es denke und urteile. Jeder schaffende und geschaffene Gedanke geht als primäre Welterfahrung dem Sprechen voraus, jedwede Wortschöpfung ist gleichzeitig eine realisierte Privatsprache: elfter Sieg.

Wie könnten die Rollen und die erzählten Geschichten, in denen ich im ewigen, einzelnen Moment vorkomme, schon alles sein, was ich bin? Daraus erwächst ja gerade meine sich immer neu übersteigende und neu einholende Selbstliebe, dass ich immer einen Überschuss an mir und in mir habe, der über das hinaus geht, was andere über mich erfahren können und sogar, was ich selbst von mir weiß. Ich bin nicht behaviouristisch verkürzbar, unter fremde Welt-Formeln subsummierbar oder in neuronale Systeme integrierbar: zwölfter Sieg.

Leben ist der Geist, welcher in meinen Geist schneidet: an der eigenen Vergewaltigung mehre ich mir das eigene Wesen. Mein Geist möge bei sich selbst sein und am Leben bauen, nicht das Leben am Geist; ich weiß, dass mein Geist Berge und Täler versetzt, all zu oft allerdings versetzen und entsetzen Berge sich selbst fremde Geister. Nur wer bei sich selbst ist, kann über sich hinaus wollen statt hinweg. Ja, nur was bereits entstellt ist, kann sich auch entstel-len; Verschönerung ist das Gegenteil von Schönheit, nicht ihr Superlativ; diesseitiger Trost also ebenso die Potenzierung des Blödsinns des metaphysischen Trostes: dreizehnter Sieg.

Wird das Spielerische also den Ernst des Lebens abschaffen? Ich erschaudere immer wieder vor dieser unerschöpflichen Vielfalt der kindlichen Lebensbejahung. Ohne Ahnung von Ver-gangenheit und Zukunft, ohne Ahnung von Freiheit und Schönheit, zieht das Kind in mir mit göttlicher Allpotenzialität dies und alle positiven Kontingenzen in diesem Punkt der Wirk-lichkeit zusammen, um sich gleichsam wieder in der Wirklichkeit in die Wirklichkeit zu ver-sprühen. Niemals käme da das Gefühl auf, dem ewigen und einzelnen Moment hilflos ausge-liefert zu sein; denn ich ‚besiege’ Leiden nicht mit Trost oder Vergessen, sondern mit neuem Schöpfermut. Stattdessen ist und wird ja in mir jedwede Abstraktion höchste Konkretion. Es ist gerade meine Reife, dass ich werde, der ich bin. Mein Spiel ist nicht gespielt und deshalb keine Flucht vor der Wirklichkeit, sondern des Lebens höchster Ernst: vierzehnter Sieg.

Bin ich eigentlich widerlegt, sobald mich die aus mir und nach meinem Abbilde für die Welt geschaffene Eva versteht? Im Gegenteil, im Gegenteil! Wenn Kontinente und Galaxien und ganze Welten auf einander prallen und ich nur noch ein Sandkorn weit vom Rauswurf aus dem Paradies und somit von der Tyrannei einer fremden Menschheit oder Gottheit entfernt bin, kommt gänzlich unmittelbar und unvermittelbar der Glockenschlag des Mittags und der Moment der großen Entscheidung, der Augenblick des kürzesten Schattens, das Ende des längsten Irrtums und der entleertesten Symbole, der Höhepunkt der Menschheit, mein sintflutartiges und fragwürdigstes „Ich – und nichts außer-dem“: letzter und erster Sieg.


Ergänzung zu 7: Ein Traum ist ein Gedanke, dem die Wahrnehmungen fehlen. Im wachen Zustand habe ich also Träume, die allerdings von den Wahrnehmungen überdeckt werden. Daher wird es wohl Zeit weniger schlecht von Tagträumereien zu denken, durch die ich meine Wahrnehmung abschließe und den Traum als Wahr-gebung zulasse. Nun will ich niemals mehr behaupten, dass Gedanken nur Wahrnehmungen verarbeiten; eher sollte ich nur die Dinge in den Dingen wahrnehmen wollen, die ich selbst in sie hineingeträumt habe – Ein Gleichnis für alle Schaffenden!

Ergänzung zu 8: Der so genannte natürliche Tod ist durchaus keine unmittelbare Intention des Lebens. Denn in der Natur wird entweder gar nicht oder nicht natürlich gestorben. Das schmachvolle Dahinsiechen auf die Selbstzerfleischung der eigenen Organe zu ist erst die Konsequenz einer selbstgenügsamen, saturierten Existenz. Aber was geht es mich noch an, welche Arten von Tod es gibt und welche als die menschlichste erscheint? Es wurde schon zu lange darauf hinaus gelebt, glücklich zu sterben.

Ergänzung zu 10: Auf so und so eine Weise empfinde ich es als richtig und gut, aber auf jene Weise sollte ich es als richtig und gut empfinden. Solch wagende Fragen stelle ich nicht erst dann, wenn ich mich in Frage stelle; mit ihnen wage ich mich fragend über mich selbst hinaus und setze wiederum einen Imperativ, eine zu wünschende Gegenwart. Denn so sehr liebe ich alle möglichen Wirklichkeiten, dass ich jetzt schon dasjenige heilig spreche, das ich in diesem einen Moment noch nicht einmal wollen kann.

Ergänzung zum ersten und letzten Sieg: Würde ich hier wirklich noch etwas außerhalb von mir selbst schaffen, so würde ich entweder in einer überlegenen (nicht Freiheit schaffenden) Position dazu stehen – oder ich würde mich so weit entäußern, dass ich es nicht mehr gutheißen könnte. Das, was es gibt, bin alles ich. Ich gehe nicht in der Welt auf, sondern die Welt in mir.

Von den des Lebens Müden

Ich kam in eine Stadt und lief allzuvielen Menschen über den Weg. Den Weg eines Menschen kreuzte ich aber ganz besonders. Denn dieser fragte mich doch im Vorbeigehen, ob ich ihm mal Feuer für seine Zigarette geben könnte. Ich wollte schon den Kopf schütteln, aber mein Geist war zu wach, um einfach an ihm vorüber zu gehen. Daher ging ich ihn energisch an, meine rechte Hand packte ihn mit starkem Griff am Hals und ich sprach zu ihm:

 

Fürchte dich nicht! Du hast nicht gesündigt, sondern dies geschieht, damit offenbar werden die Werke Gottes an dir!

Der Tod Gottes ist noch nicht überwunden; deshalb kann ich nicht schweigen in Dummheit und daher bin auch ich nicht gekommen um Frieden zu bringen, sondern das Schwert!

Ich schütte keine Kontingenzen zu, sondern ich mache sie erst wieder richtig auf. Denn wo es Gründe gibt – sollte es da nicht noch tiefere Abgründe geben?

Siehe, ich, Vergewaltiger des Widerspruchs, stehe hier zum Fall und Aufstehen vieler auf Erden und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird – aber auch deine eigene Seele wird ein Schwert durchdringen – damit Überlegungen aus vielen Herzen offenbar werden.

Du willst womöglich – und es gibt kein tolleres „womöglich“ – das Leiden abschaffen? -- Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt: zu einem angenehmen Sterben. Nicht-mehr-wollen und Nicht-mehr-schätzen und Nicht-mehr-schaffen! Den Schluss ziehen, aber sich vom Schluss nicht ziehen lassen! Der große Überdruss am Menschen - der würgt dich wohl und ist dir in den Schlund gekrochen: und was der Wahrsager wahrsagte: ‘Alle sind gleich, Alles ist gleich, es lohnt sich Nichts, Welt ist ohne Sinn, es hilft kein Suchen, Wissen würgt. Woran man nie gedacht hat, das braucht man nicht vergessen.’ Ach, dass diese große Müdigkeit mir stets ferne bleibe! -- Und ich? – es scheint gerade, ich will das Leiden noch höher und schlimmer haben, als je es war. Wohlbefinden, wie du es verstehst – das ist ja kein Ziel, das scheint mir ein Ende! Ein Zustand, welcher den Menschen alsbald lächerlich und verächtlich macht, - der deinen Untergang wünschen macht!

Und darum sollst du deine Tugenden so sehr lieben, dass du an ihnen zu Grunde gehst.

Wer sich kein Ziel und keinen Anfang setzen kann, der soll sich wenigstens noch ein Ende setzen. Oder um es wahrer zu sagen: Wer sich kein Ziel setzen kann, dem will ich wenigstens ein Ende setzen.

Denn Leiden war’s und Unvermögen, das schuf alle Hinterwelten und Schwachsinnigkeiten und Perversionen: und jener kurze Wahnsinn des Glücks, den nur der Leidendste erfährt.

Was ist der Alkoholabhängige für den Nüchternen? Was ist der Stammelnde für den Possenreißer? Was ist der Elegante für den Schätzenden? Was ist der Vermittelnde für den Unvermittelten? Was ist der Verehrende für den Unaussprechlichen? Was sind der Andere und der Gleich-Gültige für den All-Einen? Ja, was ist der letzte - der einfachste und zugleich vollste - Mensch für den Übermenschen? - Ein Gelächter und eine schmerzliche Scham!

 

Sichtlich schockiert und mitgenommen von diesen Worten, wollte er seine Zigarette, welche immer noch nicht brannte, zum Mund führen. Seine Anspannung war ihm anzusehen. Ich sagte ihm: Wenn ich dir jetzt Feuer gebe und du diese Zigarette rauchst, wirst du sterben. Er jedoch erwiderte kleinlaut: Das geht mich nichts an. Denn sterben muss ich doch eines Tages sowieso. Deshalb fügte ich folgendes an:

 

Siehe, es kommt die Stunde und sie ist schon gekommen, wo du dich von Gott, von der Welt und beinahe auch von dir selbst verlassen fühlst. Aber versteht man mich? Es ist der Glaube - und es sind trotzdem auch die Werke! Denn die größten Gedanken sind die größten Ereignisse. In der Welt bist du in Bedrängnis; aber sei guten Mutes, du wirst die Wirklichkeit mit deiner Denkbarkeit und Wünschbarkeit rechtfertigen.

Weiter sagte ich: Und nun zeige ich dir, wie man jemanden in 90Sekunden rauchfrei macht. Ich drückte meine Hand an seinem Hals noch stärker zu und hob ihn daran in die Höhe. Seine Augen waren nun weit aufgerissen und ich sprach:

 

Und gleichwie Moses in der Wüste die Schlange erhöhte und gleichwie Jesus am Kreuz erhöht wurde, so musst nun auch du erhöht werden, damit du, wenn du an dich glaubst, ewiges Leben hast. So wird dein Messias einer sein, der – sich selbst im Spiegel betrachtend – vom Kreuz herabsteigt und die Auferstehung weder nötig noch möglich hat und macht.

Dies ist das Werk Gottes, damit du an den glaubst, den er gesandt hat.

Denn Gott hat dich nicht in die Welt gesandt, damit du dich selbst zu Grunde richtest.

Wer an sich glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an seine unendliche Wichtigkeit geglaubt hat. Denn wer sich nicht von Unbedingtem und Bedingtem angehen und in Anspruch nehmen lässt – wie könnte der sich selbst in Anspruch nehmen?

Du wirst gehorchen, irgendwem, und auf lange: sonst gehst du zu Grunde und verlierst die letzte Achtung vor dir selbst.

Glaubst du nicht, so bleibst du nicht. (Ver-)traust du nicht, so bleibst du nicht betraut/betreut.

Wenn du an dich glaubst, hast du ewiges Leben; wenn du dir selbst nicht gehorchst, wirst du das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes, Wahn und Willkür und der Hang zur Selbstvernichtigung, bleibt auf dir.

Ich gönne euch euren Spaß nicht; ich treibe einen Keil zwischen euch; ohne mich kann man besser leben als mit mir: mein Name ist Wahrheit!

Geh ein durch die Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben führt; und die Vielen sind es, die da hineingehen. Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt; und die Alleinigen sind es, die ihn finden und erfinden.

Du bist die Tür; versetz dich nur in dich selbst hinein; denn du bist deine eigene und einzige Welt, deine eigene und einzige Menschheit; wenn jemand durch und in sich eingeht, so wird er errettet werden.

Lasst uns übermenschlich wandeln wie am Lebensmorgen, nicht durch Rauchen und Saufen – wer den Kick sucht, auf den trete ich gerne ein; noch bevor du die Drogen einnimmst, haben sie dich bereits eingenommen: „Verstand“ gegen Verstand  –, nicht durch Schmücken und Schminken – wäre das nicht „Schönheit“ gegen Schönheit? –, nicht durch Konsum und Party – Unterhaltung ist die der des Lebens Müden beste Untenhaltung –, nicht durch Umwelt-schutz und Vegetarismus – man sollte sie aufessen -, nicht durch Homo- und Bisexualität – sie sterben einfach nicht aus -, nicht durch Haare färben oder durch Schuhe, in denen man besser sitzen als rennen kann und die den Menschen im Sinne einer verschärften Selbst-domestikation erhöhen wollen und ihn stattdessen nur weiter erniedrigen, sondern zieht den Übermenschen an und verherrlicht gleichzeitig nicht die Lebensbedingungen als Lebensziele.

Was läge an solchem Glücke! Es ist Armut und Schmutz und ein erbärmliches Behagen. Aber dein Glück sollte das Dasein selber rechtfertigen!

Und tust du mir mit solchen säkularisierten Leibfeindlichkeiten auch Übles, so spreche ich: "ich vergebe dir, was du mir tatest; dass du es aber dir tatest, - wie könnte ich das vergeben!''

Wenn du mich also immer noch fragst, warum ich dich nicht einfach so akzeptiere, wie du bist, dann werde ich dir antworten: Akzeptiere du dich lieber genau so, wie du bist, so dass sich deine vermeintliche Selbstliebe nicht schlussendlich als Selbsthass entpuppen kann. Man kann besser die Schminke oder den Herd vergessen – als sich selbst. Selig ist, wer an sich keinen Anstoß nimmt.

Denn du und ich sind dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass wir für die Wahrheit Zeugnis ablegen. Manchmal meinte ich zu lügen, und siehe! da erst traf ich - die Wahrheit. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf seine Stimme. Denn wer sich selbst nicht glaubt, der lügt immer.

Doch auch ich bin nicht in die Welt gekommen, dass ich die Welt richte, sondern damit sie durch mich errettet werde.

 

Nach dieser sichtlich langen Zeit – er war kaum mehr fähig zuzuhören und tat es doch –, setzte ich ihn wieder zurück auf den Boden der neuen Tatsachen. Dabei umarmte ich ihn, den Bekehrten, den Umleuchteten, welcher lachte und nun deutlich zu stark schien um zu sterben. Ich guckte ihm tief in seine immer noch schockierten Augen und sprach:

 

Vom Hörensagen hattest du von dir gehört, jetzt aber hat dein Auge dich gesehen.

Wenn wir uns auf dem Spielplatz des Lebens wiedersehen, werde ich sagen: Siehe, du bist gesund geworden. Sündige nicht mehr, damit dir nichts Ärgeres widerfahre.

 

Ich bot ihm noch an, seine Zigarette zu entzünden, er aber schnappte immer noch so sehr nach Luft und Leben, dass er dankend ablehnte und mich torkelnd verließ. – – Ich hörte am nächsten Tag, dass es am nahe gelegenen Bahnübergang einen Toten gegeben haben sollte und erfuhr, dass es kein Geringerer war als mein Schocktherapierter. Heimlich sagte ich mir: Er zog am Leben vorbei, da traf er den Tod. Mich selbst korrigierend fuhr ich jedoch fort: Das Leben zog an ihm vorbei, da traf ihn der Tod. Unheimlich ist das menschliche Dasein und immer noch ohne Sinn: ein Possenreißer kann ihm zum Verhängnis werden. Es gibt keine Erlösung für den, der an sich selber leidet, es sei denn der schnelle Tod. Meine Lebensrettung ist die Rettung des Lebens, nicht der letzten Menschen. So verstehe ich das Sprichwort: Die Letzten werden die Ersten sein. Ich lachte von ganzem Herzen und von ganzem Verstand. Und obwohl ich es mir kaum verzeihen konnte, dass ich mein einziges Mitleid dafür empfand, dass ich ihn nicht selbst zur Strecke gebracht hatte, wurde meine gute Laune nicht getrübt: Mein Feuer hat ihm zuerst einen Weltenbrand entfacht, auf dass die Erde nun beginnt, sich vor mir zu rechtfertigen. Denn auch so war der Übergang sein Untergang.

 

Allso sprach ich.

 

 

 

Ergänzung: Du nennst ideal, was dir widerspricht und wehe tut; und nicht anders weißt du dich selbst zu lieben, als indem du dich selbst vergewaltigst. Erlöster müssten mir alle Raucher und Trinker und Models und Vegetarier und Homosexuellen aussehen, als dass ich an ihre Art der Erlösung glauben lernte. Wahrlich, noch erlöster aber müssten mir alle diejenigen aussehen, die anders handeln.

Ergänzung: Ebenso nicht durch Karten – Karten spielen, Karten legen, Karten schreiben, (Land-)Karten lesen: alle vier nur Varianten der einen Vereindimensionalisierung der Wirklichkeit –, auch nicht durch Musik und Religion – über den heilig-willkürlichen Grundton des Lebens lässt sich keine höhere Melodie spannen –, und auch nicht durch Sport – in einer Welt der zementierten versiegelten Kulturlandschaften wird Stillsitzen belohnt und Bewegung zum ausnahmslosen Ausgleich.

Ergänzung: Schlussendlich auch nicht durch das Internet – durch die Einverleibung alles menschlichen Gewissens in der entmenscht-austauschbaren Unzeitigkeit, ist es nach der Ablösung der Sprache durch das Geld deren Nachfolger und logische Konsequenz, folglich die schärfste, nicht mehr zu übertreffende Form der Selbst-Domestikation, und die Menschheitsgeschichte ist zu Ende, wenn der vorletzte Schluss gezogen wird: „Das Internet um seiner selbst willen!“

Nicht noch ein weiterer Blog...

"Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun." - Das stand auf einer Geburtstagkarte, die ich vor einem oder zwei Jahren von meiner Freundin erhalten hatte. Nun will ich also tun, was ich will, tun, was ich kann...

Inspiriert zum Erstellen des Blogs hat mich aber erst vollends ein Artikel im Spiegel 6/10 mit dem Titel "Endloser Campingtrip". Die Protagonisten dieses Artikels rufen zu einer neuen Art von Gesundheit auf, deren Ideal der Steinzeitmensch mit seinem jagenden und sammelnden, fleischfressenden Treiben ist. Die mir bisher bekanntesten sind Art De Vany, Marc Sisson, Loren Cardain, Erwan Le Corre, John Durant, Richard Nikoley. Nunja, wenn ich ehrlich bin, dann glaube ich nicht, dass diese sechs weit genug gehen. Für sie ist ihre neue Art sich zu bewegen und zu essen, nur ein Lifestyle-Element und keine Verwandlung des Denkens über die Wirklichkeit. Zwar reden sie viel von Gesundheit und Fitness - aber gerade deshalb weil unsere Gesellschaft doch so körperfeindliche Normen und Normalitäten entwickelt hat, sind gerade die am angepasstesten (fittesten), die das meiste Sitzfleisch haben. Solange sie die Welt nicht komplett umkrempeln, sind sie nur ein paar einsame Irre, für die in dieser pluralistischen Gesellschaft halt noch Platz ist...

So bin ich nun 26, seit Kurzem diplomierter Kath.Theologe, daneben weiterhin Student für Philosophie sowie Ur- und Frühgeschichte, hoffentlich bald auch offizieller Promovend, und bin eigentlich immer noch, immer wieder dabei, meinen Platz in der Welt zu finden.

Mein Blog wird sich zusammen setzen aus theologischen, philosophischen und frühgeschichtlichen sowie kulturellen, gesellschaftspolitischen und sonstigen wissenschaftlichen Inhalten. Auch werden kurze Anmerkungen zu Äußerungen von Dozenten, spontane Aphorismen sowie quasi-alltägliche Erlebnisse aus meinem persönlichen Leben Erwähnung finden.

Besonders wichtig werden aber die allerersten Einträge sein, in denen ich meine vier bisher geschriebenen Kurztexte "Von den des Lebens Müden", "Von mir", "Vom Wald des Warmen Regens" und "Schönheit und Ex-Opfer" veröffentliche. Wenn ich zwischendurch Lust und Zeit habe, werde ich einzelne Wörter oder Sätze immer mal wieder erläutern. Das wichtigste daran wird aber sein, dass jede Äußerung von mir immer wieder darauf hinausläuft, dass diese, ja, jede Kultur nihilistisch-lebensfeindlich ist, weil sie einen unüberwindlichen Unterschied aufbaut zwischen Ideal und Wirklichkeit. Deshalb bin ich historisch bis dahin zurückgegangen, wo der Mensch sich vielleicht einmal irgendwann nicht an ein Ideal, an eine Metahandlung verloren hat, doch diesen Moment gab es nie - bisher. Die bisherigen Ideale wurden deshalb nicht erreicht, weil sie allesamt lebensfeindliche Ideale waren. Reduziert man aber die Wirklichkeit um alle Ideale - bleibt dann wirklich noch der wirkliche Mensch übrig?

Wald des Warmen Regens - das ist der Ort, wo alles schon erfüllt ist, wo kein Ideal mehr über der bloßen Existenz angesiedelt ist, wo der Mensch wirklich Lebewesen ist.

"Ich kenne mein Los. Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen - an eine Krisis, wie es keine auf Erden gab, an die tiefste Gewissens-Kollision, an eine Entscheidung, heraufbeschworen gegen alles, was bis dahin geglaubt, gefordert, geheiligt worden war." Das sagte Nietzsche kurz vor bzw. als Ende seines philosophischen Schaffens über sich selbst. Zugegeben, irgendwie hat sich die Welt auch ohne ihn weitergedreht, sie ist heute vielleicht nihilistischer denn je - also: die Entscheidung über den Wert der Abstrahierung und Moralisierung und Idealisierung steht bisher noch aus - bisher. Ich tue, was ich kann...