Donnerstag, 11. Februar 2010

"Die Welt ohne uns"

Was würde passieren, wenn von einem auf den anderen Tag kein einziger Mensch mehr auf der Erde leben würde? Dieser Frage ging der amerikanische Journalist Alan Weisman für sein Buch "Die Welt ohne uns" nach. Dafür sprach er mit den verschiedensten Wissenschaftlern und besuchte von Menschen verlassene Orte, um herauszufinden, wie sich die Natur Stück für Stück das zurück holt, was ihr vom Menschen bisher genommen wurde.

Ich will nicht auf die oftmals sehr interessanten Beispiele eingehen, die er auch schon aus aktueller Zeit anführt. Es ist mir nicht einmal wichtig zu kritisieren, dass das Buch mit dem typischen Umweltschutz-Pathos abschließt: Wir sind der Erde zu Dank verpflichtet, weil sie uns allen das Leben ermöglicht. Dagegen steht der Mensch, der sich selbst seiner Grundlage beraubt und dem Planeten Gewalt antut. Zusammen mit einer besseren Technik könnte eine drastische Reduktion der Weltbevölkerung allein die Erde vor dem Kollaps bewahren. Die Konsequenz wäre eine geschrumpfte Menschheit, die ihre Kultur mit der Natur versöhnt hätte.

Lassen wir diesen Traum beiseite, er ist doch wieder nur ein Versuch, die Kultur des Menschen zumindest ansatzweise zu rechtfertigen und sich zuletzt ein gutes Gewissen zu machen. Sieht man jedoch mit einem weiteren Auge in die Welt, einem Auge, das versteht, dass es keine Versöhnung zwischen Kultur und Natur geben kann, sondern die Natur in solch einem Szenario entweder außerhalb oder innerhalb von uns unterdrückt würde, erkennt man, dann man nicht nur einzelne die Symptome einer lebensfeindlichen Welt bekämpfen muss. Man kann nicht einfachhin auf ein gewisses zivilisatorisches Niveau zurück, so dass dann schon alles gut wieder gut würde mit der Welt.

Den bemerkenswertesten Hinweis auf genau diesen Punkt findet man nämlich in der Zeittafel des Verfalls, die zumindest in meiner Ausgabe ganz am Anfang und am Ende des Buches auftauchen. Das, was als größte Gefahr für unseren Planeten gilt, die Atomkraft, das Nutzen fossiler Brennstoffe und das unkaputtbare Plastik, wären nämlich nach relativ schneller Zeit wieder verschwunden.
Blei wird nach 35.000Jahren verschwunden sein, nach 100.000Jahren wird CO² (sofern der Mensch überhaupt etwas damit zu tun hat) wieder die Konzentration prähistorischer Zeiten erreicht haben, Plutonium aus Atomwaffen wird nach 250.000Jahren in der Hintergrundstrahlung nicht mehr aufindbar sein, nach mehereren 100.000Jahren werden sich Mikroorganismen entwickelt haben, die Kunststoffe biologisch abbauen können und mögliche Chemikalien werden nach ca. 7Mio Jahren nur noch von Erdreich bedeckt vorkommen.

Was einen aber ein wenig nachdenklich macht, ist die Tatsache, dass die Bronzeskulpturen aus (vor-)antiken Zeiten auch nach 10Mio Jahren immer noch erkennbar sein werden. Soll das wirklich die Wahrheit sein, dass unsere modernen Fehler eine wesentlich kürzere Halbwertszeit haben als unsere vor tausenden von Jahren gemachten? Müssen wir deshalb vielleicht weniger vor zuküntigen Entwicklungen als vielmehr vor neuen archäologischen Entdeckungen Angst haben, so dass wir uns unüberwindbaren Relikten der Vergangenheit gegenüber sehen?

Fest steht wohl nur eins: Wer ewig in dieser Welt leben will, wer einmal-ewig den einen wiederkehrenden Regenwaldtag als Höhepunkt des Lebens ergreifen will, der muss jede Form der Kultur der Endlichkeit überführen, sie auch praktischerseits vollständig naturalisieren.

Die beinahe unendliche Haltbarkeit der von Menschen produzierten Kulturgüter bedeutet aber auch: Die theologische und philosophische und umweltpolitische Rede von der Endlichkeit des Menschen ist, wenn nicht grundsätzlich schon eine Farce, so doch mindestens eine geheuchelte Naivität. Würde man die Endlichkeit des Menschen ernst nehmen, so folgte daraus in besonderer Weise die Endlichkeit der Endlichkeit.

Nun seht ihr, worauf ich hinaus will: auf eine Welt ohne uns Kulturmenschen und auf eine Welt mit uns Lebewesen.

Wald des Warmen Regens gegen Dionysos und den Gekreuzigten!

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