Montag, 11. Juli 2011

Sprüche (24)

Verschönerung als Droge: ICH bin nicht hübsch genug, um mich hässlich zu finden.

In Würde altern - das klingt wie blanker Hohn für denjenigen, der begriffen hat, dass man gerade deswegen altert, weil man seinen Körper nicht würdigt...

Der dümmste Vorwurf, den man mir machen kann, ist zu behaupten, ich sei besessen - dabei bin ich doch nur vernünftig.

Bei den ganzen immer wieder verbesserten Fitnessübungen für Sportler sollte eigentlich klar sein, dass das beste Programm immer darin enden wird, die natürlichen Bewegungen der Menschenaffen möglichst genau abzubilden. Statt ins Fitnessstudio könnte man viel besser in den Regenwald gehen - aber wer würde danach noch freiwillig wieder 'Sport' machen?!

Der Mensch denkt nicht über die existenzielle Krise des Menschen nach, sondern sein Denken ist die Krise. Nicht aus einem verloren gegangenen Paradies ist die Krise entstanden, sondern die Differenz von Denken und Wirklichkeit ist immer schon vorhanden, nur dass das Denken jetzt erst darum weiß. Das heißt: Die Ambivalenz wird erweitert um ambivalente Möglichkeiten der Ambivalenzreduktion. - Alternativ: Wald des Warmen Regens.

Was ist das Ende des Fortlaufs der Kulturgeschichte? - Eine künstliche metaphysische Aufgeladenheit des gesamten Daseins, von mir jedoch durchschaut als ein Nihilismus, der sich nicht mehr über sich selbst aufklären kann, weil er so damit beschäftigt ist, sich immer mehr anzueignen, um der Leere zu entkommen ('natürliche Schönheit', 'natürliche Theologie', 'Genuss-Mittel', 'Bio-Technologie', 'slow media' etc.)

Die Theologie erklärt: "Die einzelnen Lebensmomente gewinnen ihren Wert, weil das Dasein endlich ist." - Nietzsche hält dagegen: "Die einzelnen Momente muss man deshalb lieben, weil sie kosmologisch ewig wiederkehren." - Ganz ehrlich, ich begreife dieses weil nicht: Seid ihr so krank am Leben, dass ihr noch eine Rechtfertigung dafür braucht, den Moment, den Tag als den Höhepunkt des Lebens zu erleben? - Wald des Warmen Regens. Die (Ver-)Ortung des Himmels. Die Würdigung des Körpers.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Eine Selbstliebe, die...

"Wer aber leicht werden will und ein Vogel, der muss sich selber lieben – also lehre ich.
Nicht freilich mit der Liebe der Siechen und Süchtigen: denn bei denen stinkt auch die Eigenliebe!
Man muss sich selber lieben lernen – also lehre ich – mit einer heilen und gesunden Liebe: dass man es bei sich selber aushalte und nicht umherschweife. ...
Und wahrlich, das ist kein Gebot für heute und morgen, sich lieben lernen. Vielmehr ist von allen Künsten diese die feinste, listigste, letzte und geduldsamste."

Was Nietzsche vor über 100Jahren schon sagte, ist heute nicht weniger wahr. Die Menschen können sich nicht selber lieben - und wenn sie es doch behaupten, dann klingt es immer noch wie eine verdrängte Selbstverachtung. Was ich jedoch möchte, ist eine Selbstliebe, die sich selbst nicht vernichtet. Eine Selbstliebe, die den, der sie hat, nicht selbst vernichtet - da steht im Relativsatz eigentlich nichts anderes, als im Wort Selbstliebe schon drin steckt, die Aussage ist redundant.

Eine Selbstliebe, die ...
- anderen Alles abgeben möchte.

- einfach da ist und weder erkämpft noch erzwungen werden braucht.

- durch äußere Einflüsse nicht steigerbar ist.

- nicht vor anderen demonstriert werden muss.

- durch ihre Verwirklichung nicht das Ende des Verstandes oder des Körpers bedeutet.

- außerdem - weil Maßlosigkeit ihr Regelfall ist - so groß ist, dass man lieber auf sein Leben als auf seine Selbstliebe verzichtet.

Freitag, 1. Juli 2011

Ambivalente Autonomie

Matthias Junge - Ambivalente Autonomie

"Sichtbar wird, dass das Individuum, steht es diesem ins scheinbar unbegrenzte gesteigerten Möglichkeitsraum gegenüber, nicht mehr nur der klassischen ambivalenzreduzierenden Situation der Spannung von Individuum und Gesellschaft ausgesetzt ist, sondern nun verschärft sich dieses Problem. Denn jetzt ist die Gewinnung von Autonomie auch noch zur Auseinandersetzung mit [neuen eigenen] ambivalenzreduzierenden Möglichkeiten (...) konfrontiert. War ursprünglich Autonomie die Auseinandersetzung zwischen dem autonomiebegehrenden Individuum und restringierenden gesellschaftlichen Verhältnissen, so wird nun auch noch der gesteigerte Möglichkeitsraum eine zusätzliche Quelle der Erzeugung von Ambivalenz."

In meinen Worten, auf meine Fälle bezogen, gesagt: Das Verhältnis der Menschen untereinander ist nicht perfekt, sondern gebrochen, mehrdeutig, eben ambivalent. Eigene Wertungen werden mit fremden wertungen verglichen und abgeglcihen, aber eine friedliche Ko-Existenz zwischen eigenen und gesellschaftlichen Ansprüchen ist nicht (immer) möglich.
Nun passiert aber in der heutigen Zeit Folgendes: Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, um den verschiedenen Wertungen und Ansprüchen gerecht zu werden. Diese verschiedenen Möglichkeiten erzeugen allein schon durch ihre Vielzahl wieder eine neue Gespaltenheit, Mehrdeutigkeit, Ambivalenz, da es ja mehrere Arten gibt, mit der Situation umzugehen. Dabei können wir zwar ambivalente Situationen bewältigen, aber schaffen dabei selbst wieder neue Ambivalenzen, weil wir uns für die eine und nicht für die andere Möglichkeit entschieden haben.

Das aber ist meine ganze Wahrheit:
Der ambivalente Mensch hat ein unklares Verhältnis zu seinem Verstand und zu seinem Körper. ["Für den Durchschnittsmenschen gibt es zwei Höllen aud Erden: den klaren Verstand und den natürlichen Körper."] Der Mensch macht immer wieder einen Unterschied zwischen dem, was er ist, und was er sein sollte. Er versucht zum Beispiel schön zu werden, wo er sich nicht schön findet, ohne jedoch zufrieden werden zu können. ["Verschönerung ist das Gegenteil von Schönheit und nicht ihr Superlativ. (...) Je mehr man an Verschönerung glaubt, desto mehr glaubt man tun zu müssen, um zur Schönheit zu gelangen – aber so kommt man niemals bei ihr an."] Im Grunde weiß der Verschönernde auch, dass er niemals bei der Schönheit ankommt, aber es tröstet ihn, dass er zumindest zu seinem eigenen Optimum der Verschönertheit gelangen kann. Er hat dabei also das Ziel unbewusst verschoben und die Ambivalenz, den Unterschied zwischen seiner Realität und dem Ideal, eingeebnet.
So ist es auch bei der Drogeneinnahme: Man wünscht sich einen besseren Zustand des Glücks, der nicht so leicht oder gar nicht erreicht werden kann, so dass das Ziel des zu Erreichenden in den Bereich des Erreichbaren verschoben ist. Warum soll man sein Leben umkrempeln, wenn man es sich stattdessen auch schöntrinken kann?! Ob man nun trinkt, um zumindest zwei Abende in der Woche zufrieden zu sein, oder ob man jeden Tag raucht, um klarzukommen mit dem Stress, spielt dabei keine Rolle.
Das augenscheinliche Problem besteht nun darin, dass die vorhandene Ambivalenz streng genommen aber nicht gelöst wurde, sondern lediglich unterdrückt und verschleiert wird, und auch desto stärker verschleiert, je öfter man den gleichen Reflex benutzt, wodurch sich JEDE Einnahme aus sich selbst heraus steigert, und je gesellschaftlich akzeptierter die Reduzierung von Ambivalenz ist. Alkohol scheint mehr in Ordnung zu sein als Heroin. [Drogen nehmen, das bedeutet: sich abgefunden haben!]
Das eigentlich Fatale ist nun allerdings, dass man, wie ein Tourist, der in fremde Länder reist, um etwas Schönes, Neues, Interessantes, Anderes zu sehen, seine Reduzierung von Ambivalenz positiv wendet und man sich einredet, dass man beispielsweise dann einfach mehr Spaß hat, dass man dann größer, schöner, attraktiver, selbstbewusster, entspannter ist etc.
Denn die eigentliche Steigerung der Mehrdeutigkeit steckt nun darin, dass man sich alles ausredet, was einen dazu bringen könnte einzusehen, dass diese Handeln auch negative Konsequenzen hat. Konkret schalte ich dabei entweder meinen Verstand oder meinen Körper oder sogar beides aus. Letztlich geht jede Bewältigung auf Kosten des Körpers, auch wenn die Ausrede "Es ist ja immer noch mein Körper!" schon lange erfunden wurde. Das heißt: Man überwindet die Ambivalenz durch neue und im Grunde noch stärkere Ambivalenzen, die mich zwar noch weiter vom Glück und der Gesundheit wegbringen, was man aber erst dann bemerkt, wenn es schon zu spät ist. Die Gegenwart fungiert hier als Parasit der Zukunft.
ICH aber habe diese ganzen Möglichkeiten durchschaut, ich will nicht eine fremde Vernichtung durch eine eigene ersetzen ("Wenn ich ein Wochenende Gas gebe, dann bin ich deswegen die folgende Woche krank!" - "Wenn ich zur Entspannung rauche, dann bekomme ich später Kopfschmerzen und mir geht schneller die Puste aus!" - "Wenn ich mich hübsch aufgemacht habe, dann tut mir am nächsten Tag mein ganzer Körper weh!"). Es geht mir auch nicht darum, die negativen Folgen meiner Handlungen zu reduzieren (einfach weniger hohe Schuhe, weniger trinken und rauchen), sondern die Handlungen nicht mehr positiv darzustellen, die ich mache, weil ich sie ja angeblich selber will bzw. weil es mir Spaß macht.
Falls es mir wirklich mal schlecht gehen sollte - und das wird immer wieder vorkommen, sobald ich merke, dass meine Welt nicht widerspruchslos und nicht ambivalenzfrei ist,- dann muss ich mir halt genau überlegen, was ich tun kann, um das Erdrückende zu überwinden, ohne mich selbst, meinen Verstand und meinen Körper, zu unterdrücken. Ich nehme euch dabei keine Möglichkeiten weg - ihr verliert lediglich eure Ohnmacht! Konkret könnte das bedeuten: Entspannungsübungen statt Rauchen, Kirschsaft statt Alkohol, Brombeeren statt Burger, Bewegung statt Verschönerung und Rumsitzen. Die Würdigung des Körpers ist dann gar nicht mehr so weit weg: Wald des Warmen Regens!