Sonntag, 30. Mai 2010

Sprüche (7)

Was ist Vergessen? Ich glaube, das gibt es nicht...

Psychologie des Burnout: Was mich nicht tötet, macht mich toter.
Psychologie des Fetisch: Was mich nicht tötet, macht mich härter.
(Der Vordersatz ist das Problem. Solange es etwas gibt, das das Leben erst noch bewirkt, ist das Leben immer noch nicht voll verwirklicht.)

Was ist das Beseelende am Alkohol? - Nicht dass ich mich selbst zu hemmungsloseren Handlungen überwinde, sondern dass die anderen Betrunkenen diese Handlungen nicht als beschämend verurteilen...

Wenn ich irgendetwas zu viel esse, dann mag ich es bald nicht mehr und ich will etwas anderes essen. - So ist es bei euch auch mit eurer Lebensgestaltung, denn ihr braucht Abwechslung, und ihr sagt mir, dass mein Wald des Warmen Regens mit seiner Abgeschlossenheit langweilig wäre. Er wäre genau so wenig langweilig wie der Himmel oder das Paradies, da dort eben die absolute Fülle des Lebens unüberholbar vorhanden wäre. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass ich mir zutraue zu sagen, was im WDWR konkret vorkommt und was im Himmel immer fehlen würde: Es ist der Körper!

Ich nenne dasjenige asexuell, wo ich nicht in der Teilnehmerperspektive vorkomme. (Erkenntnis bedeutet selbst noch, dass man nur als Beobachter teilnimmt.)

Wenn man seine saubere Hand in den Schlamm steckt, dann fühlt es sich zuerst komisch an, bis man sich daran gewöhnt hat und nichts Negatives mehr dabei empfindet. - Auf dem anderen Wege wurde das Tier zum Menschen, als es den Schluss zog: "Es ist doch nichts dabei." Und dann irgendwann wurde die Natur zu dem, wo "etwas dabei war".

Montag, 17. Mai 2010

Sprüche (6)

Die Paradoxie unserer Einstellung zum Körper, als die eigentliche Paradoxie unserer Kultur, scheint in folgender Frage auf: Wie kann ich meinen Körper würdigen? (Würde ich einen Versuch der Würdigung machen, so hätte ich den Körper immer wieder auf einzelne Erscheinungsmomente meines ansonsten beseelten Lebens reduziert und ihn nie für sich genommen. Die einzig mögliche Würdigung könnte darin liegen, den Körper gar nicht mehr zu würdigen und der geistigen Sphäre hier keinen Zugriff mehr zu erlauben. Aber auch diese Verweigerung ist noch ein geistiger Prozess, sodass sogar noch die Möglichkeit der Würdigung oder der Verweigerung der Würdigung abgeschafft werden müsste, bis der Körper wieder er selbst sein darf.)

Evolution als Downgrade: Gegenüber den Affen haben wir nicht zwei Hände gewonnen, sondern zwei Hände verloren. (Wenn man den Schwanz noch hinzurechnet, haben wir sogar drei Hände verloren; nimmt man sogar noch unsere degenerierte Mundform hinzu, die nur noch das zerbeißen kann, was unsere Hände in ihn hineinschieben, dann haben wir vielleicht sogar eine vierte Hand verloren. - Was haben wir dafür gewonnen?)

Einst glaubte ich dem von anderen Menschen Gesagten immer die bestmögliche, menschenwürdigste Interpretation abgewinnen zu können, dann wiederum glaubte ich, mich immer so klar ausdrücken zu können, dass keinerlei Zweifel mehr an der Gutheit meiner Aussagen bestehen könnten; heute will ich eine derartige Welt, die weder eines exakten Ausdrucks noch einer Auslegung bedarf: Wald des Warman Regens. (Mein früheres Ziel war eine für alle Menschen optimale Rechtfertigung des Lebens und ich habe im Immer-strenger-nehmen der Frage nach Rechtfertigung nur entdeckt, dass es keine gründliche Rechtfertigung geben kann: "Des Übermenschen Schönheit kam zu mir als Schatten.")

Ein Dozent sagte, dass es in ethischen und politischen Fragen eigentlich immer nur darum geht, sich so wenig wie möglich aus der Deckung zu wagen und dem Gegner immer die Beweislast unterzuschieben. (Dazu gibt es eigentlich kaum noch was zu sagen, außer dass ich die Verbitterung bei meinem Dozenten über diese tollkühne Behauptung nicht spüren konnte. Aber vielleicht liegt die Beweislast in der Frage nach der Wahrheit und der Verbitterung auch gar nicht bei den Philosophen, den stillen Beobachtern per definitionem...)

Gefangenendilemma reloaded: Wenn sich zwei Menschen online kennen lernen, wäre es für beide eine win-win-Situation, wenn sie ehrlich wären und keine Scheu voreinander hätten - aber der Unsicherheitsfaktor, dass der andere nicht ehrlich sein könnte, macht es für beide rational, erst einmal misstrauisch zu sein und nicht gleich alles von sich preiszugeben. (Ich dagegen muss mich betrügen lassen, um nicht auf der Hut sein zu müssen vor Betrügern.)

Ich tue so, als wäre ich ein Lebewesen, und klettere auf einen Baum; die Widerstände, die mir daraufhin entgegen gebracht werden, sind: Unfähigkeit, Angst und moralische Beschämung. (Wahrlich, auf dieser Trias ist unsere ganze Kultur gegründet und das, was wir als sozialen Fortschritt feiern, ist zuletzt nur eine Umdeutung dieser Worte hin zu einem "lebenswerten (=behindertengerechten) Leben".)

Samstag, 1. Mai 2010

Schönheit und Ex-Opfer (Update)

1 Verschönerung ist das Gegenteil von Schönheit und nicht ihr Superlativ.
1.1 Für Verschönerung muss man sich für verschönerbar halten, also hässlich finden.
1.2 Je mehr man an Verschönerung glaubt, desto mehr glaubt man tun zu müssen, um zur Schönheit zu gelangen – aber man kommt niemals bei ihr an.
1.3 Auch die Schönheit eines Objektes „an sich“ im willenlosen Anschauen (z.B. Sonnenuntergang) ist noch Verschönerung, weil man sich selbst noch nicht als Maß aller Schönheit erkannt hat.
1.4 Selbst all das, was der Himmel jemals sein kann, was Gott jemals für den Menschen tun kann, womit Gott den Menschen jemals angehen kann, unterschlägt noch Inhalt und Schönheit des Lebens.
2 Aus Opfern werden Ex-Opfer.
2.1 Durch meinen Blick auf meine Abhängigkeit und Endlichkeit bekomme ich den Hang, die Wirklichkeit mit meiner Denkbarkeit und Wünschbarkeit zu rechtfertigen.
2.2 So sehr ich aber auch mein Leben bejahen will, so sehr bejahe ich doch nur meinen Ja-Nein-Dualismus, meine zuerst überwundene und dann mit eigenen Gründen wieder eingeführte Moral, mein gutes Gewissen – und zwar unabhängig vom Inhalt.
2.3 Da jede mögliche Kultur Opferung der eigenen Schönheit und Lebendigkeit und Körperlichkeit bedeutet, bekommt das Leben Inhalt und Schönheit genau dann wieder, wenn das gute Gewissen und alle Kultur überwunden sind.
2.4 Zwar gab es noch nie ein kulturloses Lebewesen, nicht einmal ein Tier, aber dennoch ist Kultur nur eine kontingente Eigenschaft des Lebens.
2.5 Daher schafft man zuerst die physischen Elemente der Kultur ab, so dass die kultiviertesten Menschen sterben und die leiblichsten Menschen leben.
2.6 Als Konsequenz daraus verschwindet auch noch die Kultur im Kopf, das gute Gewissen, der Zwang zur Bejahung, der Glaube an die eigene Sterblichkeit, überhaupt das Denken, weil das nun entdeckte Leben so reich ist, dass das Denken kein „Überlebensvorteil“ mehr ist – eher das Gegenteil.
2.7 Damit löst sich endlich die Paradoxie der Frage nach der Würdigung des Körpers, denn der Körper ist: Nicht „res extensa“, nicht "durch die Seele geformter Leib", nicht „die Gene“, nicht "die Triebe", nicht "die Sinne", nicht "die Organe", nicht "Ästhetik", nicht „Fitness“, nicht "Hülle" - sondern im Wald des Warmen Regens ist der Körper als das perpetuum mobile des Lebens die unüberholbar maximale (superlativische), nicht mehr selbstvernichtende, nicht mehr selbsterniedrigende, lebendige Vereinigung von Willigkeit und Möglichkeit und Fähigkeit.
2.8 Wald des Warmen Regens, äquatorialer Regenwald, Tageszeitenklima, Essen, Trinken, Laufen, Rennen, Springen, Klettern und Schlafen
3 Solange der Wald des Warmen Regens eine Anschauung, ein Ideal bleibt, so ist er die radikalste Form der Kultivierung, der Selbstopferung, der Entkörperlichung, der Verschönerung, als Teil meines guten Gewissens Denken par excellence.