Montag, 19. September 2011

Meine Anfänge - Teilweise neu kommentiert

Pessimisten sollten in ihrem Negativwahn niemals darauf vertrauen, dass die Welt immer so schlecht bleibt, wie sie glaubten, sie zuvor gemacht zu haben. - "Wenn jeder den Sabbat hält, dann kommt das Reich Gottes." - "Wir selbst haben Jesus getötet und tun es in unseren schlechten Handlungen immer noch." - "Deutsche besitzen immer noch das Nazi-Gen." - "Wir sind schuld am Klimawandel."

Der Begriff der Droge ist ein so gänzlich teuflischer: Er gab den Menschen einen Unterschied zwischen schlechter Droge und guter Normalität - aber auf den Gedanken, dass der erkennende Mensch selbst die größte Droge von allen ist, sind bisher nur die Placebo-Produzenten gekommen - und selbst die nur drogenabhängig.

In unpersönlichen Gesprächen kann man niemandes Persönlichkeit angreifen.

Es gibt Menschen, die möchte man am liebsten ein Leben lang an der Oberflächlichkeit ihrer äußeren Erscheinung messen. - Je weniger Intellekt ich von den Leuten erwarte, desto besser sehen sie hin und wieder aus.

Man frage die reichsten Menschen der Welt, wie viel Geld glücklich macht. Sie werden alle antworten: Noch ein bisschen mehr.

Im Gegensatz zu einem natürlichen Gewitter muss bei einem menschlichen Donnerwetter kein (Geistes-)Blitz folgen...

Empirie ist die Metaphysik, die von sich vergessen hat, dass sie eine ist...

Raucher - Das sind Selbstmordattentäter 'light'...

"Die Armen sind daran schuld, dass es Reiche gibt." - Ich möchte da mit ein klein wenig Dankbarkeit nicht von 'Schuld' reden...

Wenn es eine Philosophie gäbe, die möglichst jedem nahe geht und für jeden etwas bereit hält, wäre sie eine Aneinanderreihung von zusammenhanglosen, inhaltsleeren Phrasen, aus denen sich jeder das beste heraussuchen kann. Das hört sich verdächtig nach den heutigen politischen Zuständen an - und nicht nur nach den politischen...

Natürlich klingen zirkuläre und tautologische Begründungen logischer: Man hat ja schließlich das Gefühl, dass man das alles schon einmal gehört hat...

Drogen machen nicht intelligenter, aber sie geben einem das Gefühl, dass es nicht so schlimm ist, dumm zu sein. Sie heben nicht die Langeweile auf, sondern nur das Wissen um die Langeweile...

Das Münchhausentrilemma ist auch ein dogmatischer Abbruch...

Autoritätsgläubigkeit ist, wenn man zuerst nachfragt und anschließend zitiert...

Verschönerung ist Anbiederung an Menschen mit einem stärkeren eigenen Willen.

Kennt ihr das, wenn Menschen in Filmen aus Spannungsgründen eigentlich niemals auf die besten gut gemeinten Argumente hören, aber sich von den billigsten und dümmsten
Argumenten der "Bösen" wie benebelt überzeugen lassen? Fast wie im echten Leben
übrigens...

Erst der Glaube an und die Pflicht zum Pluralismus erschaffen das Gefühl von Verlassenheit...

Wer Widersprüche auflöst, der löst Wahrheiten auf.

Wird die Künstliche Intelligenz jemals so weit sein, dass sie philosophische Bücher schreiben kann? - Wenn diese Frage rhetorisch verstanden wird, dann ist sämtliche KI auf ewig diskreditiert; wenn sie ernst gemeint und bejaht wird, dann ist die menschliche Vernunft mindestens relativiert. - Und was noch viel schwerer wiegt: Stellte sich Gott bei der Erschaffung des Menschen nicht auch die Frage, ob...?

Es gibt keine perfekten Teufelskreise. - Aus Opfern werden Ex-Opfer.

Verantwortungsbewusstsein ist in einer 'aufgeklärten' Welt nicht viel mehr als aktive Sterbehilfe, in einer nicht-aufgeklärten Welt dagegen der Angriff auf alles Aufklärerische. - In Deutschland sind wir inzwischen wohl soweit, dass die Selbstbesinnung des Volkes mit einem kräftigen Ja zu sich selber einhergehen müsste. Doch das ist beinahe schon so abwegig wie das Ja des Menschen zum Körper...

Wenn es während einer theologischen Vorlesung draußen heftig gewittert, denkt eigentlich niemand mehr ernsthaft ans Jüngste Gericht. Ist das Aufklärung oder Verklärung?

Ob man sich her-richtet oder ob man ein Tier ab-richtet; immer geht es dabei mehr um die Zuschauer, die keinerlei Skrupel empfinden, Applaus für diese Ent-Artung zu spenden. - Und gleichzeitig nennen wir unsere Kinder artig, wenn sie sich entgegen ihrer Instinkte erziehen (herrichten und abrichten) lassen...

"(...) etwa wenn die Moral als ein Irrtum bewiesen werden soll, unter der naiven Voraussetzung, dass die Moral schwinden müsse, wenn erst der Irrtum in ihr erkannt ist - aber siehe da! sie hütete sich zu schwinden (...)" - Wenn man jetzt noch für "Moral" "Logik" einsetzt, wirds ganz bitter...

Ein frühes Missverständnis verhindert so manches sinnlose Gespräch.

Wenn ein Kind gerade mit seinem Turm aus Bauklötzen fertig ist, dann reißt es ihn wieder ein und hat beinahe mehr Spaß daran als am Aufbauen. Was uns Erwachsenen als der Wahnsinn schlechthin erscheint, ist für Kinder das allernatürlichste der Welt, solange ihnen der mitleidige, ästhetische, Blick fehlt.

Rauchen: das ist der Glaube, (zum Glück) sowieso zu sterben, aber nicht daran.

Wenn ich die Exegese des Neuen Testaments richtig verstehe, dann ist Jesu Leben eine Aneinanderreihung von Gattungstypen.

Leben heißt: die Gegenargumente vergessen machen.

Man kann immer nur das wollen, was man nciht hat und nicht ist.

Wen mag ich eigentlich weniger: Behinderte, die Mitleid erregen wollen, oder solche, die als normal angesehen werden wollen und dadurch ein schlechtes Gewissen machen?

Der Sozialismus verwirklicht heute die aus dem Christentum stammende Gleichheit aller Menschen, denn heute wird kein Mensch mehr für den Glanz eines Herrschers geopfert. Ganz nach dem Motto: lieber monomental statt monumental.

Das einzige Mittel gegen Realitätsverlust ist die Realität.

Parasitäre Elite nenne ich Studenten, die gegen Studiengebühren sind.

Amor fati - Erfahre die Liebe des Schicksals.

Es verrät einen schlechten Geschmack, wenn man zuerst ein Jahr durch die Welt zieht und dann Soziologie studiert.

Ausgerechnet der Sommer ist die Jahreszeit, wo die Unterschiede bei Frauen zwischen Sein und Schein besonders heftig zu Tage treten.

Wer der Menschheit nichts zutraut, der traut sich meistens selbst nicht viel zu.

Der Nationalmannschaftspatriotismus ist kein Aufflammen der Ehre, sondern nur ein neuer Modus der Spaßgesellschaft.

Wer in einem gewissen Alter nicht weiß, wer von den anderen ein degeneriertes Leben führt, der führt vermutlich selbst ein degeneriertes Leben.

Warum hat sich Hiob nicht einfach betrunken?

Chemie und Burn-Out: Alles, was man befeuert, wird fest und brüchig.

Eine etablierte Gesellschaft der Mittelmäßigen kennt keine geglückten, sondern nur noch missglückte Ausnahmen.

Während einer Handlung ist dieselbe wesentlich unmoralischer als bei der späteren Bewertung.

Agnostizismus ist keine Glaubenshaltung, sondern ein Kompetenzvakuum.

Wissenschaft zeigt heute keine neuen Handlungsmöglichkeiten mehr auf, sondern nur noch neue Forschungsoptionen.

Wenn man aus den alten Geschichten die Mythologie herausfiltert, dann bleibt von der Historie gar nichts mehr übrig. Die Geschichtsschreibung an sich beinhaltet gleichermaßen viel Mythologie, so dass auch von ihr nichts übrig bleiben würde.

Je lebensfroher und intelligenter ein Kind ist, desto eher hält es seine Eltern für degeneriert.

Je komplexer ein philosophischer Text ist, desto schlechter lässt er sich auch zusammenfassen. - Ist er damit schon automatisch besser, wahrer, ...?

Was ist Gesundheit? - Wenn man den Unterschied zwischen Gesundheit und Krankheit nur aus der Perspektive des Gesunden kennt.

Ressentiment bedeutet, dass du weißt, wovon du erlöst werden willst, aber nicht, wohin. - Politische Opposition als Keimzelle des Ressentiments oder als dessen Folge?

Hat sich noch nie jemand gefragt, warum es keine hochbegabten Sozialarbeiter gibt?

Wie du dich schön machen kannst? Lege alles ab, wovon du glaubst, dass es dich schöner macht.

"Er wandte sich früh vom Leben ab; daran war die und die Überzeugung schuld." - Aber dass er zu der und der Überzeugung kam, war bereits die Folge eines verarmten Lebens.

Was einst mein Glaube war: Nietzsche hat das höchste Lebensideal gefunden, ich die dazu passende Wirklichkeit.

Mutter und Kind: "Was rennst du so?" - "Es ist normal und dann bin ich schneller da!"

Die ach so verrückte Pubertät ist kein zufälliger Wahn eines Jugendlichen, sondern vor allem ein Aus-der-Haut-Fahren der Erwachsenen, denen die Kreativität dafür fehlt, ein akzeptables Miteinander zu organisieren.

Das,was ihr selbstvertrauen nennt, ist nur die dunkelste Seite euren guten Gewissens.

Die vermeintlich sinnlosesten und zugleich schwierigsten Fragen sind die, die uns zu einer Enthaltung drängen, wenn wir sie durchschauen. Denn wenn wir uns enthalten, können wir nicht unterscheiden, ob wir mit der Frage über- oder unterfordert sind. - Allerdings ist es kein Zeichen von Oberflächlichkeit, Frage nicht zu kennen, bei denen sogar noch die Enthaltung unmoralisch wäre. Erlösung bedeutet also ein Verschwinden der Frage nach Erlösung; und zwar nicht in der Enthaltung. Das Fragen hat ein Ende.

Gegen Nietzsche: Wer tief in das Überleben sieht, der sieht auch tief in das Leiden.

In empirischen Untersuchungen schließen wir so viele Nebenbedingungen bereits im Vorhinein aus, dass als Ergebnis nur noch eine Tautologie herauskommen kann. Also gibt es keine Empirie.

Geschmack zu haben bedeutet, dass man sich seinen Geschmack nicht zum reinen Geschmack relativieren lässt.

In der Verfassung des Lebens steht: Niemand ist ein potenzieller Täter und niemand ist ein potenzielles Opfer.

Kinder hänseln Kinder nicht ohne Grund. Dieser Grund ist zwar kein notwendiger Grund, aber das stört Kinder auch nicht weiter.

Wenn ich Gott anbete, dann bete ich nicht seinen Gebrauch in der Sprache an.

Um eine Regel nachhaltig zu brechen, tut es gut, sie niemals gekannt zu haben.

Stotternde Sänger: Der Erfindung der Sprache geht die Erfindung der Musik voraus.

Das Denken ist im Wald des Warmen Regens nicht verschwunden, sondern es ist so sinnvoll wie zur Beantwortung der Frage, wann es fünf Uhr nachmittags auf der Sonne ist.

6Mio Juden - für einen Fehler waren das wohl einfach zu viele, Herr Wittgenstein...

Was bedeutet es, wenn man fordert, die Gottesfrage ernst zu nehmen?

Warum ich die Nazis verachte? Wegen ihrer Reihenfolge: zuerst die Juden und dann erst die unheilbar Behinderten...

Die Frage an die Offenbarung Gottes muss doch sein: Wie könnte sich das Ding an sich verbergen?

Weil ich ein ausgedehntes Ich bin, bin ich nicht ontologisch primär oder sekundär gegenüber der Welt, sondern ich bin die Welt. Jede andere Antwort wäre Moral.

Das Leben im Regenwald ist nicht das elementarste Leben, sondern das einzige Leben.

Wenn jemand erst einmal beleidigt ist, dann kann man nur noch die Symptome bekämpfen, aber nicht mehr die eigentliche Krankheit.

Wer das Leistungsdenken der Wirtschaft verteufelt, aber gleichzeitig mehr Einsatz für eine gerechtere Welt fordert, der ist zutiefst vom Ressentiment getrieben und negiert zudem die Frage, ob es so etwas wie Ex-Opfer gibt...

Unter Opfern am verbreitetsten ist die Opferbereitschaft sowohl auf sich selbst (Depression) als auch auf andere (Aggression) bezogen. Im Selbstmordattentäter kommt beides zusammen.

Solange es die Zeit gibt, hat man von ihr immer zu wenig.

Wenn jemand während eines Computerspiels "Stirb, du Schwein!" brüllt, dann fühlen sich die Menschenfreunde eher angesprochen als die Tierschützer. - Wirkt die zweite Metapher etwa harmloser?

Es ist unmöglich, intentionslose Laute auszusprechen.

Der Wald des Warmen Regens ist die Hoffnung, dass die Zeit aufhört weiterzulaufen, wenn niemand mehr ein Zeitgefühl hat.

Die Menschheit denkt von sich selbst, sie sei die Blaupause der Evolution.

Wozu noch Natur, wenn es doch Naturschutzgebiete gibt?

Im Wald des Warmen Regens endet meine Freiheit endet nicht an der Freiheit der Anderen.

Kultur entsteht immer nur dort, wo es verletzte Überlebende gibt.

Montag, 5. September 2011

Prolog

Dieses Buch beinhaltet eine radikal neue Frage ('Wie kann man den Körper würdigen?') und ihre Beantwortung. Die Frage ist dabei im Grunde gleichbedeutend mit der Kantischen Frage, was denn der Mensch wohl sei, nur das jetzt wirklich alles mit einbezogen wurde, was den Menschen ausmacht, und nicht nur das, was der Philosoph, der Theologe, der Soziologe, der Psychologe, der Biologe usw. selbst in den Menschen hineinprojiziert haben.
Das war nämlich das ganze Problem des Körpers, dass er mit jeder Definition auf dem Rücken nach Golgotha geschickt wurde - sei es als Tourist oder als zu Kreuzigender. Niemand hörte ihn an, denn niemand wollte den eigenen Verstand verraten, der sich alles so gerne untertan macht, es seiner Natur beraubt und kultiviert.
es wird sicherlich nciht wenige geben, die in diesem Buch einen unendlichen schweren Verrat an der Zivilisation, am Denken, an den Idealen entdecken. Dabei decke ich doch lediglich eure Vorurteile auf, mit denen ihr mir sogar vorwerfen wolltet, dass ich pberflächlich sei. Aber nur, wer den Körper als Körper ernst nehmen will, hat überhaupt begriffen, welche Tragweite die Frage nach dem Körper besitzt - als die eigentlich letzte und ewige Frage der gesamten Menschheit, solange gefragt werden kann.

Nehmen wir nun an, mich fragte jemand kurz und präzise, warum ich so geworden bin wie ich bin, warum gerade den Körper als Körper erkannt habe - käme dabei etwas anderes heraus als eine erneute Passionserzählung, eine Geschichte, in der der Hauptakteur alles offenbart, wie diese Welt, in der ich noch lebe und für die ich schreibe, gut werden, gut sein kann?
Freilich, meine Menschenliebe soll nicht in einer Kreuzigung enden - aber leigt es wirklich an mir, das zu verhindern? Denn ich erzähle alles und mache mich angreifbar - zumindest ist das die Konsequenz aus meinem Handeln. Wenn jedoch das Scheitern meiner Vorstellung schlimmer wiegt als das Abgestraftwerden von Leuten, die es eh niemals verstehen, dann habe ich keine Wahl, dann muss ich mich selbst verwirklichen, dann darf ich mich selbst verwirklichen, weil mich keine Moral mehr zurückhalten kann, da er nur noch etwas zu gewinnen gibt. Und vielleicht ist das die Erklärung: Für mich gibt es nur dann etwas zu verlieren, wenn ich nciht handele!
Dann bohrt jedoch der Fragende nach und verlangt eine historische Erkörung, wie aus einem normalen Jungen einer werden konnte, der auf solch eine Art um seine Art zu leben kämpft. Und so tue ich das, was ich am besten kann: nämlich über mich selber reden.
Es war wohl mit ca. sechs Jahren, als ich vom natürlichen, kindlichen Lebensübermut gepackt wurde und auf der Hochzeit von Onkel und Tante im Gästebuch einige kreisende Striche sah, welche ich sogleich mit dem danebenliegenden Kugelschreiber nachahmte und eine gesamte Seite allein mit meiner 'Unterschrift' verzierte. Statt diese Aktion aber mit meiner Kindlichkeit zu verrechnen und darüber zu schmunzeln, war meinen Eltern mein Verhalten dermaßen peinlich, dass ich heftig dafür bestraft wurde, ohne auch nur ahnen zu können, was ich da falsch gemacht haben sollte.
Ein zweiter Akt liebevoller elterlicher Fürsorge ereilte mich, als ich einmal mit eminem Vater in der ersten Bank in der Kirche saß, als gerade Gottesdienst gefeiert wurde. Ohne großes Verständnis für das, was da an heiligen Mysterien passierte, rutschte ich hin und her und durfte anschließend am eigenen Leib spüren, dass das zu Hause keine guten Konsequenzen für mich hatte.
Auch als meine Eltern mir vorwarfen, dass ich andere Leute angeblich nicht grüßen würde, wurde mir nicht etwa gesagt, dass es doch einfach wäre, sondern ich wurde auch nur abgestraft für ein Verhalten, dass mir niemand zuvor anders beigebracht hatte.
Alle diese drei Erlebnisse, an die ich mich noch erinnere, hatten gemeinsam, dass sie eine elterliche Pflicht zum Anstand beinhalteten. Man wollte sich nciht schämen für mich, mein Verhalten fiele ja schließlich auf die Eltern zurück. Vielelicht hätte man sein Kind ja auch besser erziehen können - aber wenn jemand Erziehung mit Kontrolle verwechselt, wird er es wohl eh nicht ändern. Oder wie ich sage: Man kann seine Kinder nicht schlecht erziehen und sich hinterher beschweren, dass sie schlecht erzogen sind!
Diese Erlebnisse, gepaart mit der generellen Willkür, die in Erziehungsfragen immer wieder akut war, hatten auf meiner Seite einen riesigen Vertrauensverlust in die Gutheit der Welt bzw. meiner Eltern zur Folge. Ich hatte seit dem ersten Tag, wo ichselbst denken konnte, selbst denken musste, das Gefühl, dass ich mich nur auf mich selbst verlassen konnte. Meine Kritik war mein Selbstwert.
Das alles hätte man durchaus noch als gewöhnlich abtun können und ich wäre vermutlich auch niemals so wie jetzt geworden, jedoch gab es da ein Schlüsselerlebnis das jedem mit einer guten Vorstellungskraft den Schweiß auf den Rücken und die Tränen in die Augen zu trieben fähig ist.
Meine Eltern fuhren mit meinen kleineren Brüdern weg, ich sollte ganz allein mit meinem nur zwei Jahre jüngeren Bruder das Haus aufpassen. Zudem wurde uns untersagt, im Garten Fußball zu spielen, um keine Zweige vom noch nicht sehr stabilen Apfelbaum abzuschießen. Wie Kinder dann aber so sind, genossen wir unsere Freiheit so großzügig und schossen natürlich auch einen Zweig mit wenigen Äpfeln ab. Diesen legten wir dann auf den Krchentisch, um zu zeigen, dass wir eingesehen hatten, dass unser Verhalten dumm war, weil es schlechte Folgen hatte, und die elterliche Einschränkung sinnvoll war. Das jedoch spielte überhaupt keine Rolle bei der anschließenden 'Strafzumessung', auch der Hinweis auf unser 'Geständnis' brachte nichts. Stattdessen wurden wir noch von unserer Mutter ausgelacht, dass wir so doof waren, den Zweig auf den Tisch zu legen und ihn nicht in der Mülltonne veschwinden zu lassen.
Man muss schon ein Unmensch oder Übermensch sein, damit einen solch ein Erlebnis nicht mitnimmt. Mitnimmt in eine andere Welt, die mir nicht zu Füßen lag, sondern erst noch geschaffen und erkämpft werden musste. Von mir.
Nun aber könnte der immer noch Wissbegierige weiter wissen wollen, warum ich mit diesem Start ins bewusste Leben nicht entweder total konservativ oder total der gescheiterte Rebell geworden bin. Und so geht mein Leben weiter:
Durch diese Erlebnisse war mir klar geworden, dass ich besser sein musste als meine Eltern und es war ungefähr in der siebten Klasse, als meine Mitschüler anfingen, nicht mehr Kind sein zu wollen, sondern erwachsene Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Es war nicht mehr en vogue, sich zu verabreden und einfach zu spielen, man wollte auch seine Persönlichkeit darbieten. Gleichzeitig entdeckte man noch seine Eigenständigkeit, was körperlich fragwürdige Verhaltensweisen anging. Man wollte nicht mehr rennen und toben, sondern lieber zusammen sitzen, abhängen, chillen und Alkohol trinken, weil man ja so erwachsen sein wollte.
Unabhängig davon, dass ich zu dieser Zeit selbst meine körperliche Unschuldigkeit verlor, hatte ich aber immerhin den Drang, es anders zu machen, da ich die langweiligen und zur Gruppenerfahrung zwingenden Argumente der Erwachsenen darin erkannte: Spätestens dort war ich nicht mehr auf einer Ebene mit den Gleichaltrigen.
Es dauert vielleicht nicht einmal bis ich 14 war, dass ich Psychologie studieren wollte, um zu begreifen, as in dieser Welt los war und warum ich so dermaßen anders denken konnte. Diese Distanz zwischen mir und den Anderen wurde mit der Zeit immer größer und richtige Antworten hatte ich nicht, außer dass ich das Gefühl hatte, ein besserer, gerechterer Mensch zu sein, der viel auf sich nehmen kann, weil er so oft aneckt.
Als ich dann statt Psychologie 'nur' Theologie studieren konnte, aber nach zwei Wochen merkte, dass das genau das richtige für mich war, war ich unendlich erleichtert und fühlte mich mit einigen Leuten aus dem Studium so wohl, dass ich dachte, das 'Fußvolk' hinter mir lassen zu können und richtig durchstarten zu können. Durch meine allererste Hausarbeit, welch Nietzsches Text vom Tode Gottes behandeln sollte, kam ich dann mit dieser radikal skeptischen Gedankenwelt in Kontakt, die mir endlich eine Antwort lieferte. Es gab keine absolute Wahrheit, die daraud abgeleitete absolute Moral war falsch, ja sogar gefährlich. Die gesamte Welt der Logik stand mit sich selbst im Wiuderspruch. Es war wie eine Erlösung für mich, endlich passte die Welt zusammen. endlich konnte ich auch Gedanken entwickeln, die radikal darauf bauten, dass kein Ideal mich erniedrigte und dass ich mir selbst der höchste Maßstab bin. Nicht nur lehnte ich nun Alkohol, Zigaretten, Tattoos und Piercings ab - ich lernte auch zu verneinen, dass Schmuck, Schminke und hohe Schuhe Sinn machen könnten. Es waren Fremdkörper, die mich selbst entwerteten und ich verlangte das höchste, als ich schloss, dass keine Selbsterniedrigung den Menschen mehr treffen dürfe.Und dann kam das Semester, in dem ich von der Neueren und Neuesten Geschichte in die Ur- und Frühgeschichte wechselt, weil ich einen Bericht im Fernsehen darüber gesehen hatte, dass das erste Gebäude der Welt nicht einfach so als Wohnhaus entstand, sondern dass die Sesshaftigkeit erst eine Folge der Fixierung des religiösen Kultesauf einen festen Platz war. Das war die Initialzündung , um den Weg des Menschen bis zurück an seinen Anfang nachzuzeichnen und zu erkennen, dass der Mensch immer schon im Zwiespalt mit sich selbst und seiner Natur gestanden hatte. Erst mit diesem Hintergrund entwickelte ich die Idee vom Wald des Warmen Regens, wo der Mensch sich nciht mehr anders orientieren will und in jedem Moment vollkommen er selbst ist. Ich hatte einen Himmel geschaffen, wo der Mensch wirklich blank war und es keine Moral mehr brauchte, um sich vor der Natur zu schützen, sondern er war endlich wieder Natur, endlich wieder Lebewesen.
Allerdings war damit immer noch kein Weg aufgezeigt, noch kein zwingendes Argument gefunden, warum dieser Regenwald so viel besser als der theologische Himmel war.
Im Bemühen ein Thema für eine theologische Doktorarbeit zu finden, kam ich immer wieder nur bei der These an, dass das christliche Jenseits fallen müsste, fallen müsste als ein pures Ideal, das einfach nicht das Wesen des Menschen richtig trifft. Es fiel mir einfach auf, dass in den Texten der Eschatologie der Körper immer nur eine untergeordnete Rolle spielte bzw. immer nur idealisiert und bereits transformiert vorkam, was mich damals fragen ließ, wie sich der Körper theologie würde ließe. Dabei entdeckte ich die Paradoxie der Würdigung des Körpers und mir war klar, dass die Theologie und ich niemals mehr einen gemeinsamen Weg beschreiten könnten. Und als ich mich auch noch im Rahmen einer möglichen Promotion mit der konkreten ausgestaltung des Himmels befasste und lediglich raumzeitliche Metaphern fand, entwickelte ich zudem den Ausdruck von der (Ver-)Ortung des Himmels (auf Erden).
Mit am aktuellsten ist die durch eine sehr gute Freundin beeinflusste Wendung dahingehend, dass ich meine Überzeugung, meine Selbstliebe nicht gegen andere benutze, sondern auch auf sie zugehe, und dass ich dem Körper jetzt schon in dieser noch zivilisierten Welt einen Platz einräume und das kindlich-übermütige Spielen für wünschenswert und möglich halte.
Theologisch versucht vor allem die Praktische Theologie, den Körper miteinzubeziehen, jedoch wird das niemals zu solch einer Würdigung führen, wie ich sie anstrebe. Wenn von der neueren Praktischen Theologie die alte Vergessenheit des Körpers bedauert und der postmoderne Körperkult kritisiert werden, und wenn gleichzeitig eine echte Würdigung des Körpers in Schule, Kirche und Gesellschaft herbeigesehnt und gefordert wird, dann übersehen diese Leute dabei, dass im Körper sowieso nur das gewürdigt werden kann, was der Geist vorher als sein Wesen in ihn hineinprojiziert hat. Und wo Gott dem Projektionsvorwurf noch mittels seiner vorzeitigen Schöpferkraft und um seiner Erkennbarkeit willen entkommen kann, wehrlos, quasi nackt da.
Diese Vergessenheit und Wehrlosigkeit des Körpers wird nun wieder zu einer intentional-mystischen Aufgeladenheit. Tatsächlich geht es nämlich darum, den Körper für religiöse Praxis zu instrumentalisieren, ihn zum Erfahrungsraum zu machen und ihn wie eh und je als ausdruck der Seele darzustellen, was aber nur funktioniert, wenn ma ndas statische Bild, das man vom Geist hat, auf den Körper übertragt. Erst dann macht es auch Sinn, sich weitere körpertheoretische Aufarbeitungen zu wünschen. Wer jedoch der Körper erst dann wirklich als Körper spüren kann, wenn er theologisch aufgearbeitet wurde, der wird den Körper, besonders seinen eigenen Körper, niemals (vom Geist) entfesseln. Zusätzlich wird durch diesen gutmenschlichen Idealismus jede spätere Diskussion um den Körper im Keim erstickt und vorzeitig abgewürgt, da man ja angeblich schon stichhaltige Hinweise darauf beitzt, was denn der Körper ist. Dagegen hilft nur noch, den Körper endgültig in Ruhe zu lassen, ihn körpern zu lassen.
So bin ich also heute der, der ich bin. Ich kann niemals mehr zurück zu der Naivität, der der die meisten Menschen zufrieden sind, weil ich klar vor augen gesehen habe, was andere nicuht einmal ahnen. Ich bin die Antwort auf die Krisis und Gewissens-Kollision, welche Nietzsche heraufbeschworen hat und die endlich gelöst ist. Und ich will niemand anderer sein als der Prophet, welcher das gelobte Land betritt, weil er das Geschenk der Natur anzunehmen weiß. - Doch wie konnte überhaupt das Gegenteil die Regel werden?

Einmal während der langen fortentwicklung des Planeten nahm das Leben eine merkwürdige und, wie wir heute wissen, höchst fragwürdige Abzweigung. Als irgendwann nämlich zufällig intelligentere tiere zusammen saßen und gemeinsam dank ihres Lebensreichtums die Muße hatten, ihren Fähigkeitenschatz zu erweitern, da erhoben sie sich über ihren vorgesehenen, vorgegebenen und zugemessenen Lebensraum. Sie besiegten die sich ihnen ohne den Schutz des Blätterdachs dargebotene Fremdartigkeit durch immer neue Kreativität, bis sie wieder in einem ruhigen Moment voller Selbstgewissheit den Blick auf das ganze richteten und zu erkennen glaubten, dass nur ein ebenso denkendes Wesen für sie und die Welt verantwortlich sein konnte. Dabei jedoch gingen sie so weit, dass sie ihre eigentliche Herkunft verleugnen mussten. Sie konnten und - hier hat bisher keine weitere Entwicklung stattgefunden - können nicht anders, als den Körper für Kultur und Rausch sowie die Schönheit für die Verschönerung zu opfern und nachwie vor aus selber abgeholzten Wäldern auf ferne Himmel zu blicken.

Doch dieses Buch soll anders werden und helfen, dass aus Opfern Ex-Opfer werden. Unverhoffterweise kommt mir dabei sogar noch Wittgensteins Kritik am philosophischen Metaphysizieren zur Hilfe, wo ich einfach nur Sprache/Denken/Philosophie durch Körper/Kultur bzw. Schönheit/Verschönerung ersetzen muss, um eine eindrucksvolle Bestätigung meiner eigenen Kritik zu finden. Dies hat zwar keinen Wert für die konkrete Ausformulierung dessen, was der Wald des Warmen Regens ist, aber was könnte jetz tauch noch anderes kommen als eine immer wieder neue Besiegelung dessen, was zumindest für mich einfach feststeht?!

Epilog

Dieses Buch zu schreiben, es zu gliedern und zu ordnen, hat nicht immer Spaß gemacht. Wie auch?! - Da will man die Menschheit überzeugen, den Körper in jedem Moment vollkommen einzusetzen und dann fällt mir nur ein, mich - wie alle anderen auch - hinzusetzen und immer wieder Gedanken niederzuschreiben, an den Menschen zu verzweifeln, und wieder Gedanken aufzuschreiben.
Deshalb ist dieses Buch einerseits ein Scheitern, weil ich es schreiben musste und noch nicht im Wald des warmen Regens angekommen bin. Gleichzeitig ist dieses Buch (die Einerseits-Andererseits-Argumentation ist meiner theologischen 'Herkunft' geschuldet) aber auch ein Sieg über mich selbst und für mich selbst, da - wo jetzt aus Scham radikale Offenheit wurde - eine Konkretisierung immer auch eine Klärung zur Folge hat und nun jeder genau nachlesen kann, wo ich stehe.
Aber ich muss es gestehen: Dieses Buch ist auch ein schlechtes Buch, weil es sich wichtig nehmen und gegen jede Kritik immunisieren will, indem es Aneinanderreihungen vin Verben, Substantiven und metaphorischen Ausdrücken beinhaltet, auf dass sein Inhalt noch mehr Härte, Wucht und (unredliche) Durchschlagskraft erhält, auch wenn diese Aufzählungen logisch zwar äußerlich etwas hinzufügen, aber eigentlich nichts Neues bringen; schließlich bleibt die Struktur identisch. Und es wäre komisch, wenn jemand nur deshalb Vorfreude auf den Wald des Warmen Regens entwickelt hätte, weil sie manche Texte so elegant geschrieben anhören. Denn der Schluss dieses Buches ist nicht sein Platz in den Bestsellerlisten, sondern seine Vermoderung, wenn niemand mehr seinen Inhalt versteht, sondern nur noch das Holz für Holz hält. Daher ist die hier angebotene Vorfreude vor allem eine Vorfreude darauf, dass dieses Buch hinübergeht.
Vom Standpunkt dieser Welt nämlich bedeutet dieses Buch einen großen Verzicht und Nihilismus. Vom Standpunkt jedoch aus, dass wir in dem, was wir tun, entweder uns selbst, also den Körper, vernichten oder - und?! - auf ziemlich viel verzichten, ist der Wald des Warmen Regens die überreiche Welt, die nicht anders denkbar bzw. erlebbar, erkletterbar, erkörperbar wäre.
Zuletzt dürfte für den Leser, der nun verstehtm was ich sagen und erreichen will, klar sein, dass der Wald des Warmen Regens als (Ver-)Ortung des Himmels (auf Erden) zur Würdigung des Körpers erst dann wirklich ist, wenn der Mensch nicht mehr aus auch für dieses Buch abgeholzten Wäldern auf ferne Himmel blickt, sondern dieses Buch, diese zu erklimmende und wegzuwerfende Leiter, vermodernd auf dem Boden liegt, so dass der Wald aus ihm über es hinauswachsen kann und der Körper körpern kann.
Worüber ihr nicht einmal reden konntet, darüber werde ich klettern.