Freitag, 30. Juli 2010

Hide und Hype/Wegducken und Überhöhen

Wer mich gut kennt, der weiß, dass ich gerne einmal spontan Liedtexte umdichte. Dabei ist mir bei einigen englischsprachigen Liedern aufgefallen, dass man den Begriff "'hide" in so ziemlich jedem Fall durch "hype" ersetzen kann.

Milk Inc - Livin a lie...
I hide/HYPE away my fear
Hoping no one will come near
Cause they can't see me
when I'm trying to be me
Living a lie
Tell me why I run and hide/HYPE...


Freeloader - Pure devotion

...Feel the vibe and step inside
No, you know you cannot hide/HYPE...

Neo Cortex - Elements
Feel this fire deep inside
Burning strong where you can't hide/HYPE

Bei diesen Beispielen sollte klar geworden, dass "Wegducken" und "Überhöhen" zwei ähnliche Weisen sind, eine Situation zu bewältigen. Im ersten Fall lasse ich die Sache nicht an mich heran, indem ich mich ihr entziehe - im zweiten Fall lasse ich sie nicht an mich heran, indem ich mich in einem krankhaften Wahn mit ihr identifiziere.
Sollte es nicht eine Welt geben, die so reich und wertvoll und lebenswert ist, dass man sich ihr nicht entziehen will und die man auch gar nicht mehr überhöhen kann? Für mich fällt diese Welt, Wald des Warmen Regens, mit der Würdigung des Körpers zusammen. Dort will man weder seinen Körper schamhaft verstecken noch ihn verschönern.

Und schauen wir noch einmal auf diese Welt: Wer sich ohnmächtig fühlt, seine Macht herauszulassen und andere anzugehen, der zieht sich auf sich selbst zurück, speziell auf seinen Körper, und stilisiert ihn hoch zum entscheidenden Moment der Begegnung mit anderen Menschen. Dann fühlt man sich plötzlich nicht mehr gedanklich minderwertig, sondern nur noch "hässlich". Und zum Glück hat man ja noch die durch Industrie und Gesellschaft vorgelebte Möglichkeit, sich attraktiver zu machen, damit man nicht mehr auf andere zugehen muss, sondern damit die anderen auf einen zukommen. Dass man sich damit in eine noch stärkere Minderwertigkeitssituation begibt, dürfte den allermeisten aber nicht klar sein - stattdessen benutzen sie fortan ihren "erhöhten Leib" als Machtmittel und verteufeln die, die ihre "objektive Schönheit" nicht als solche erkennen.
Denen (und am besten auch allen, die ich gestern im Tattoo-Studio, in der Hölle auf Erden, gesehen habe) will ich sagen: Versteckt euren Körper nicht und überhöht ihn nicht. "Man kann besser die Schminke oder den Herd vergessen - als sich selbst." Damit sich eure Selbstachtung nicht als Selbstverachtung entlarven lassen kann. Wahrlich. würdigt euren Körper nicht mehr als ästhetische Projektionsfläche, mit der man sonst nichts weiter anfangen kann, sondern werdet wie die Kinder und fühlt euch gut, so wie ihr seid, nämlich vollkommen liebenswert und vollkommen lebenswert.

Rauchen im Gottesreich

Wenn man vor der Fakultät für Kath.Theologie Raucher sieht, dann drängt sich einem unweigerlich der Verdacht auf, dass diese Menschen irgendwie nicht wissen, was Erlösung heißt. Man würde ihnen am liebsten ein klein wenig ironisch in Anspielung an Jesaja sagen:

"Raucht ihr nicht, so bleibt ihr nicht!"

Und wirklich: würden sie nicht rauchen, wer wären sie dann noch? Würden sie sich noch wohl fühlen in ihrer eigenen Haut? - Möglicherweise leuchtet ihnen folgende Frage nicht einmal ein: Glaubt ihr, dass es im Himmel noch Zigaretten gibt?
1.Es gibt Zigaretten noch und man raucht auch noch, aber es bringt einen nicht mehr um.
2.Es gibt noch Zigaretten und es würde einen noch umbringen, aber man hat kein Verlangen mehr danach.
3.Es gibt keine Zigaretten mehr und auch kein Verlangen mehr danach.

Was bedeuten diese drei Alternativen für diese Welt? Sind das alles reine Utopien?

Dienstag, 27. Juli 2010

Gut aussehen und Schön sein

Viele Leute verwechseln einfachhin diese beiden Elemente, die ich aber ganz unterschiedlich benutze.
Gut aussehen wird jemand, der bestimmte Körpereigenschaften besitzt; für mich persönlich heißt das, dass jemand vorzugsweise blond oder rothaarig sein würde, dazu sportlich gebaut und eine mir zusagende Gesichtsform - welche das genau ist, kann ich jetzt gerade nicht einmal so genau sagen.

Schön dagegen ist jemand genau dann, wenn er sich nicht für verschönerbar hält, wenn er also weiß, dass sein Aussehen Gott gegeben ist und er sich weder besser noch anders haben will. Dafür sollte er bzw- sie sich nicht schmücken oder schminken, nicht die Haare färben oder die falschen Schuhe anziehen. Auch das Haare rasieren würde am Aussehen selbst kaum etwas ändern, aber es würde sehr wohl die Schönheit entwerten. Schönheit hat für mich demnach auch nur sekundär etwas mit dem Aussehen zu tun und viel eher mit einer menschlichen Praxis. Sanftmut, schenkende Tugend, die Fähigkeit zu vergeben, der Wille zum Gut-Sein - all das sind Eigenschaften eines schönen Menschen, eines Menschen, der sich immer wieder von den Dingen dieser Welt ergreifen lässt und dabei sich selbst akzeptiert, wie er ist, und stattdessen seine ganze Macht und (auch seinen Körper) in die Dinge legt, die ihm wirklich wichtig sind.

Update: "Wenn die Macht herabkommt ins Sichtbare" - das ist Schönheit! Wenn das Selbstvertrauen leuchtet, dann ist jemand schön und dann sieht er automatisch gut aus, unabhängig von irgendwelchen Eindrücken.
Und dies geht nur an dich, Liebling, damit du weißt, dass ich dich so liebe, wie du bist: Deine braunen Haare sind schön, so wie sie sind, und du brauchst keine Sorge haben, dass ich irgendeiner hinterher schaue, die eine der beiden oben genannten Haarfarben hat. Du bist für mich die schönste und bestaussehendste Person. Denn aus deiner Schönheit allein leite ich dein gutes Aussehen ab.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Der Körper als Blinddarm eures Geistes...

"Der Körper als Blinddarm eures Geistes..." - Wie? Ist das etwa nur ein neuer Ausdruck für etwas, das ich schon immer so gesagt habe? Der Körper nämlich als etwas, bei dem man froh ist, wenn es nirgendwobei stört? Und worauf man verzichten kann, wenn es Stress macht?
Das einzige, was ihr hiergegen einwenden werdet, ist, dass ich genau das beklage, wenn ihr Alkohol trinkt; dass ich euch vorwerfe, zu gut auf euren Geist (UND auf euren Körper) verzichten zu können...
Es gibt ein Leben, das so reich ist, dass auch die aufputschendste Droge noch als eine Verarmung von Dasein erfahren wird - was gehen mich noch eure Drogen an?

Mittwoch, 14. Juli 2010

..und Scham wird zu radikaler Offenheit.

Kehrt um und tut Buße! Das Reich der Himmel ist nah.

Sonntag, 11. Juli 2010

Für den Moment leben vs. Den Moment leben

Es ist ein großer Unterschied, ob ich für den Moment lebe oder ob ich den Moment lebe.

Samstag, 10. Juli 2010

Nationalmannschaft und Integration

Was wurde in den letzten Wochen viel über die gelungene Integration geschwärmt, mit der unsere Nationalmannschaft alle Migrationsprobleme umschifft hat und zu einer Mannschaft zusammen gewachsen ist. Dabei wäre es beinahe schon unfair, auf einen konkreten Artikel zu verweisen; eigentlich war sich die ganze Presselandschaft einig. - Naja, ein nationalkonservaties Blatt, die Junge Freiheit, hielt mit zahlreichen Artikeln dagegen, unter anderem hier mit sieben Argumenten, warum die Instrumentalisierung des Fußballs für gelungene Integration doch ein wenig zu weit führt.

Ich neige ja dazu, den Integrationsvorsprung der Nationalmannschaft ebenso darin zu sehen, dass Assimilation stattgefunden hat und sich durch das gemeinsame Ziel gerade keine Parallelgesellschaft entwickeln konnte. Aber hier sollte man auch klar erkennen, dass die "rein deutschen" Spieler in Interviews gerne von ihrem Nationalstolz bei der Hymne reden und sich gerne vor tausenden Fans in Berlin feiern lassen, es ihnen dabei aber primär um das Fußballspielen geht und sie sich eher zufällig mit dem Land identifizieren, in dem sie von Geburt an gelebt haben. Und so wie das Fahnenschwenken in fast keinem Fan dauerhaft das Bedürfnis nach mehr Patriotismus auslösen wird, so ist auch die Nationalmannschaft eigentlich gar kein Beispiel für Integration, sondern sie ist vielmehr reine Auslese des besten Systems, um Fußball zu spielen. Real mit dem Nachbarn auszukommen und froh zu sein, ihn neben sich zu haben, sich mit gutem Gewissen zu achten und sich mal ein Ei oder ein Ohr zu leihen oder etwas gemeinsames zu unternehmen - das ist der wahre Clou von menschlichem Miteinander, welches das Wort "Integration" nivelliert, weil es eben nichts mehr zu integrieren gibt.

PS: Auch wir haben hier zu Hause unsere Deutschlandfahne mit Beginn der WM installiert und mein Vorschlag, sie "wie die Amerikaner" dauerhaft hängen zu lassen, dürfte familienintern angenommen werden. Ich bin allerdings schon gespannt auf die Nachbarn, die uns entweder vorwerfen werden, dass die WM doch schon lange vorbei sei, oder die die Fahne einfach rein mit der WM und dem Fußball verbinden und weniger mit den Deutschen als Volk. Ich werde am Ball bleiben.

PPS: Bei der ganzen Debatte um Integration darf natürlich nicht vergessen werden, dass es perfektes Miteinander innerhalb eines Staatswesens, sei es auch noch so bejahbar, immer nur relativerweise geben kann. Erst im Wald des Warmen Regens werden die Dualismen, mit denen wir uns unsere Werte und Wirklichkeiten erklären und konstruieren, wirklich durch ein so reichhaltiges Leben ersetzt, dass jedes Wort von Erkennen und Handeln und Integration zu spät käme.

Dienstag, 6. Juli 2010

Erfahrene Erlösung

Eben im Kirschbaum habe ich erfahren, was Erlösung ist:

Vor wenigen Tagen musste ich noch den ganzen Baum absuchen, um einige wenige reife Kirschen pflücken zu können. Gerade jedoch haben meine Hände nicht ausgereicht, um den ganzen Reichtum zu fassen. Und nun verschenke ich alles, was ich gesammelt habe, weil alles im Überfluss vorhanden ist. Ich gebe umsonst weiter, was ich umsonst bekommen habe. Endlich liebe ich das Leben.

Sommer-Hygiene am Arbeitsplatz

Heute morgen las ich in der Zeitung, dass Arbeitgeber ihre Angestellten auffordern, jetzt bei den hochsommerlichen Temperaturen auf ein Mindestmaß an Körperhygiene zu achten, welches tägliches Duschen, Klamotten-Wechseln und Deo umfasst.

Was zunächst einmal wie selbstverständlich klingt, wird bei den konkreten Anweisungen schon ein wenig kritischer. Denn Deo überdeckt entweder nur den Schweißgeruch oder verhindert das Schwitzen generell, was aber gerade bei solch hohen Temperaturen gerade nicht förderlich ist. Der wirkliche Sinn muss also darin liegen, aus moralisch-schambeladenen Gründen das Schwitzen zu unterdrücken; damit man keine Flecken im Hemd hat oder damit die Klamotten nicht riechen. Die erste Begründung ist lächerlich, weil es sicherlich in keinem Naturgesetz steht, dass man nicht schwitzen darf; die zweite Begründung beinhaltet so viel Wahrheit, dass eben nicht der Schweiß riecht, sondern die Klamotten. Da wäre es also praktischer, erst gar keine Klamotten anzuziehen, um sich selbst auch noch alle Gründe zu nehmen, Deo zu benutzen. Wenn man überall frisches Wasser und Bewegung hätte, dann würde sich das mit dem täglichen Duschen sogar erledigen, weil man dann den Unterschied zwischen Sauberkeit und Unsauberkeit aufheben würde. Unnötig zu sagen, dass der WDWR hier der beste Ort wäre.

"Urin und Schweiß sind sauberer als Wasser, denn/und die Menschen sind nackt."

"Wer hörte schon einmal etwas von der Sauberkeit vor dem Waschen? - Dies ist meine Treppe zur Überwindung der falschen Moralität:
A) Du riechst nach Schweiß! - "Ja, ich soll mich schämen und das tue ich auch."
B) Du riechst nach Schweiß! - "Ja, es ist so lange schlimm, wie wir noch stinkende Kleidung tragen."
C) Du riechst nach Schweiß! - "Ja, ich rieche nach Schweiß."
D) ..."

Sonntag, 4. Juli 2010

Zwei Dinge, die ich will

Ich will nicht mehr lügen müssen.

Ich will endlich gut sein dürfen.

Zwei mal jenseits des Bösen

Ich habe gelernt, nicht böse zu sein - nun lerne ich gerade, gut zu sein!
Erhöht ist mein Körper und auferstanden; mit seiner Wonne entzückt er meinen Geist, dass ich Schöpfer werde und Schätzer und Liebender und aller Dinge Wohltäter.

Samstag, 3. Juli 2010

Party, wie ihr sie versteht...

Party, wie ihr sie versteht, ist der Ort, wo der langsame Selbstmord Aller "das Leben" heißt.

Freitag, 2. Juli 2010

Gott ist ein Regenwald

Gott ist ein Regenwald, ein leuchtender, der auf alles drumherumliegende abstrahlt und dich zu ihm lockt: Hier, komm her, ich bin dein Paradies.
Und wenn du zu mir kommst, dann will ich dich nicht überwältigen, sondern nur anhauchen mit meiner Liebe und Güte und Lebendigkeit; wenn du in mich eingehst, dann wirst du nicht untergehen, sondern dann wirst du gut aufgehoben sein; alle Unwägbarkeiten werden zu neuen Sicherheiten, Zögern wird zum Rennen, Stillsitzen wird zum Klettern und Scham wird zu radikaler Offenheit.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Sprüche (10)

Von einem anonymen SMS-Schreiber aus Berlin:
"Liebe - noch so ein Problem, das Marx nicht gelöst hat."

Ich gewinne meine persönliche Freiheit aus der Nähe zu meinen Mitmenschen - nicht aus Distanz!

Nicht Liebe mit sehenden Augen, sondern Liebe mit handelnden Händen! (Wo Nietzsche nur lieben kann, indem er dem Leiden schonungslos ins Gesicht blickt, und er es schon als gerecht ansieht, wenn er von Schuld und Strafe absieht, dort glaube ich daran, dass es vielmehr auf den ankommt, der heilt. Die göttliche Gerechtigkeit hält nichts davon, das Leiden an sich zu bejahen, sondern höchstens als Aufweis für Heilungsmacht, wenn sie spricht: "Du hast nicht gesündigt, sondern [dies geschieht,] damit die Werke Gottes offenbar werden an dir!", oder als etwas, das im nächsten Moment jede Bedeutung verloren hat: "Dein Glaube hat dich geheilt!").

"Die Welt ist zu kompliziert - oder wir zu moralisch!" -- Oder wir sind zu unmoralisch! - Aber mal ehrlich: Kommt falsche Moralität und falsche Immoralität nicht auf das gleiche heraus? Leichter ist es doch zu sagen: Die Welt ist ein Hort des Lebens und wir dürfen lebendig sein: WDWR!

Der Körper: Schönheit und Ex-Opfer

1 Verschönerung ist das Gegenteil von Schönheit und nicht ihr Superlativ.
1.1 Für Verschönerung muss man sich für verschönerbar halten, also hässlich finden.
1.2 Je mehr man an Verschönerung glaubt, desto mehr glaubt man tun zu müssen, um zur Schönheit zu gelangen – aber so kommt man niemals bei ihr an.
1.3 Auch die Schönheit eines Objektes „an sich“ im willenlosen Anschauen (z.B. Sonnenuntergang) ist noch Verschönerung, weil man sich selbst noch nicht als Maß aller Schönheit erkannt hat.
1.4 Wenn man sich jedoch als wollendes, schaffendes, unsteigerbar schönes Lebewesen auf die Welt einlässt und sich unbedingt angehen lässt, wird man viele unsteigerbar schöne und großartige Dinge erleben.
1.5 Wer sich selbst für die Welt öffnet, der gewinnt seine persönliche Freiheit aus der Nähe zu seinen Mitmenschen, der verschenkt umsonst Freiheit, wie er sie zuvor umsonst erhalten hat, der hat unheimlich viel Liebe zu geben, der vergibt und bereut, der versöhnt die Menschen und würdigt jeden Moment als Höhepunkt des Lebens.
1.6 Wer für sich die Liebe mit handelnden Händen entdeckt hat, der setzt immer wieder neu einen neuen, unverbrauchten Anfang, der macht, dass jeder Tag zum ersten Tag der Schöpfung wird.
1.7 Wir bewundern Kinder und halten alle ihre Spiele für lebendig und höchst angemessen, und wir brauchen das Kind in uns selbst dabei nicht vergessen oder verleugnen.
1.8 Wer sich nämlich laufen und rennen lässt, dem werden alle seine Handlungen und Erfahrungen als so schön und so reich erscheinen, dass er sich damit allen möglichen Drogen und Verschönerungen uneinholbar überlegen weiß und abends aus besseren Gründen totmüde ins Bett fällt.
1.9 Der Körper, als eine Vorfreude auf höhere Freude, als ein Vorgriff des Lebens auf den Wald des Warmen Regens schon in dieser zivilisierten Welt, ist: Klettern auf einen Baum, Schwimmen in einem See, Buddeln am Strand, Barfuß-Rennen auf einer Wiese, Purzelbäume machen, Bergsteigen, Spazierengehen in der Mittagshitze oder in der Dämmerung, Früchte pflücken, Trinken aus einem Bach, Sex haben
2 Aus Opfern werden Ex-Opfer.
2.1 Durch meinen Blick auf meine letzte Abhängigkeit und Endlichkeit bekomme ich den Hang, die Wirklichkeit endgültig mit meiner Denkbarkeit und Wünschbarkeit zu rechtfertigen.
2.2 So sehr ich aber auch mein Leben bejahen will und sogar kann, so sehr bejahe ich doch nur meinen Ja-Nein-Dualismus, meine zuerst überwundene und dann vielleicht mit eigenen Gründen wieder eingeführte Moral, mein gutes Gewissen – und zwar unabhängig vom Inhalt.
2.3 Auch all das, was der Himmel (auf Erden) jemals sein kann, was Gott jemals für den Menschen tun kann, womit Gott den Menschen jemals angehen kann, kann nur anfanghaft Inhalt des Lebens und Schönheit des Körpers vollbringen.
2.4 Denn da jede mögliche Kultur auf eine gewisse Weise immer Opferung und Zurückstellen der eigenen Schönheit und Lebendigkeit und Körperlichkeit bedeutet, bekommt das Leben Inhalt und Schönheit in vollem Maße genau dann wieder, wenn das gute Gewissen und alle Kultur überwunden sind.
2.5 Zwar gab es noch nie ein kulturloses Lebewesen, nicht einmal ein Tier, aber dennoch ist Kultur nur eine kontingente Eigenschaft des Lebens.
2.6 Im Überschwang der vorwegnehmenden Vorfreude schafft man nach und nach die physischen Elemente der Kultur ab, so dass die Menschen immer mehr zum Leben herausgefordert und gefördert werden und die leiblichsten Menschen leben werden.
2.7 Als Konsequenz daraus verschwindet auch noch die Kultur im Kopf, das gute Gewissen, der Zwang zur Bejahung, der Glaube an die eigene Sterblichkeit, überhaupt das Denken, weil das nun entdeckte Leben so reich ist, dass sich das Denken durch sich selbst obsolet gemacht hat, indem es sich von seinem gewünschten Inhalt hat einholen und überholen lassen.
2.8 Damit löst sich endlich die Paradoxie der Frage nach der Würdigung des Körpers, denn der Körper ist: Nicht „res extensa“, nicht "durch die Seele geformter Leib", nicht "possession" (= nicht "mein Körper"), nicht „die Gene“, nicht "die Triebe", nicht "die Sinne", nicht "die Organe", nicht "Ästhetik", nicht „Fitness“, nicht "Hülle" - sondern im Wald des Warmen Regens ist der Körper als das perpetuum mobile des Lebens die unüberholbar maximale (superlativische), nicht mehr selbstvernichtende, nicht mehr selbsterniedrigende, lebendige Vereinigung von Willigkeit und Möglichkeit und Fähigkeit.
2.9 Wald des Warmen Regens, äquatorialer Regenwald, Tageszeitenklima, Essen, Trinken, Laufen, Rennen, Springen, Klettern und Schlafen
3 Solange der Wald des Warmen Regens eine Anschauung, ein Ideal bleibt, so ist er einerseits Vorfreude, Antriebskraft, Hoffnung auf Steigerung der Vitalität schon in dieser Welt sowie kritisches Korrektiv zur Kultur, andererseits aber auch die radikalste Form der Kultivierung, der Selbstopferung, der Entkörperlichung, der Verschönerung, und als Teil meines guten Gewissens Denken par excellence.