Samstag, 10. Juli 2010

Nationalmannschaft und Integration

Was wurde in den letzten Wochen viel über die gelungene Integration geschwärmt, mit der unsere Nationalmannschaft alle Migrationsprobleme umschifft hat und zu einer Mannschaft zusammen gewachsen ist. Dabei wäre es beinahe schon unfair, auf einen konkreten Artikel zu verweisen; eigentlich war sich die ganze Presselandschaft einig. - Naja, ein nationalkonservaties Blatt, die Junge Freiheit, hielt mit zahlreichen Artikeln dagegen, unter anderem hier mit sieben Argumenten, warum die Instrumentalisierung des Fußballs für gelungene Integration doch ein wenig zu weit führt.

Ich neige ja dazu, den Integrationsvorsprung der Nationalmannschaft ebenso darin zu sehen, dass Assimilation stattgefunden hat und sich durch das gemeinsame Ziel gerade keine Parallelgesellschaft entwickeln konnte. Aber hier sollte man auch klar erkennen, dass die "rein deutschen" Spieler in Interviews gerne von ihrem Nationalstolz bei der Hymne reden und sich gerne vor tausenden Fans in Berlin feiern lassen, es ihnen dabei aber primär um das Fußballspielen geht und sie sich eher zufällig mit dem Land identifizieren, in dem sie von Geburt an gelebt haben. Und so wie das Fahnenschwenken in fast keinem Fan dauerhaft das Bedürfnis nach mehr Patriotismus auslösen wird, so ist auch die Nationalmannschaft eigentlich gar kein Beispiel für Integration, sondern sie ist vielmehr reine Auslese des besten Systems, um Fußball zu spielen. Real mit dem Nachbarn auszukommen und froh zu sein, ihn neben sich zu haben, sich mit gutem Gewissen zu achten und sich mal ein Ei oder ein Ohr zu leihen oder etwas gemeinsames zu unternehmen - das ist der wahre Clou von menschlichem Miteinander, welches das Wort "Integration" nivelliert, weil es eben nichts mehr zu integrieren gibt.

PS: Auch wir haben hier zu Hause unsere Deutschlandfahne mit Beginn der WM installiert und mein Vorschlag, sie "wie die Amerikaner" dauerhaft hängen zu lassen, dürfte familienintern angenommen werden. Ich bin allerdings schon gespannt auf die Nachbarn, die uns entweder vorwerfen werden, dass die WM doch schon lange vorbei sei, oder die die Fahne einfach rein mit der WM und dem Fußball verbinden und weniger mit den Deutschen als Volk. Ich werde am Ball bleiben.

PPS: Bei der ganzen Debatte um Integration darf natürlich nicht vergessen werden, dass es perfektes Miteinander innerhalb eines Staatswesens, sei es auch noch so bejahbar, immer nur relativerweise geben kann. Erst im Wald des Warmen Regens werden die Dualismen, mit denen wir uns unsere Werte und Wirklichkeiten erklären und konstruieren, wirklich durch ein so reichhaltiges Leben ersetzt, dass jedes Wort von Erkennen und Handeln und Integration zu spät käme.

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