Montag, 31. Januar 2011

"Surrogates" - Die Befreiung vom Körper

So oberflächlich die Handlung in "Surrogates - Mein zweites Ich" angesichts der Möglichkeiten auch bleibt, so beeindruckend-verstörend ist zumindest das Setting:
In der Welt des Jahres 2054 lebt jeder Mensch nur noch in seinen eigenen vier Wänden. In Kontakt kommen die Menschen über so genannte "Surrogates", täuschend echte Roboter, welche ihr Besitzer vom Bett aus steuert, und welche laufen, arbeiten und sogar in den Urlaub fahren. Ähnlich wie in "Avatar - Aufbruch nach Pandora" werden dadurch gewisse Gefahren vermieden, die Kriminalität sank mit der Allverfügbarkeit der Surrogates um 99%.
Ich empfehle den Film, wie gesagt, nicht deshalb, weil er eine ausgefeilte Handlung hätte. Aber zumindest wird an dem Film mal wieder deutlich, wohin die Reise der Körperfeindlichkeit noch gehen kann, wenn wir technisch-zivilisatorisch immer weitere Fortschritte machen und nicht merken, wie viel Lebensqualität uns dabei eigentlich abhanden kommt. Wenn wir die "Befreiung vom Körper" unwidersprochen hinnehmen, werden wir alles verlieren:
Das Internet – durch die Einverleibung alles menschlichen Gewissens in der entmenscht-austauschbaren Unzeitigkeit, ist es nach der Ablösung der Sprache durch das Geld deren Nachfolger und logische Konsequenz, folglich die schärfste, nicht mehr zu übertreffende Form der Selbst-Domestikation, und die Menschheitsgeschichte ist zu Ende, wenn der vorletzte Schluss gezogen wird: „Das Internet um seiner selbst willen!“

Freitag, 28. Januar 2011

Zahnspangen-Index

Es gibt einen so genannten Big Mac- oder Hamburger-Index, der je nach Preis eines BigMacs in einem Land Hinweise auf die Über- oder Unterbewertetheit einer Währung liefert. Wer schon einmal in einem norwegischen FastFood-Laden gegessen hat, wird verstehen, was ich meine...
Außerdem gibt es einen so genannten Coca Cola Index, der einen Zusammenhang zwischen der Konsumhäufigkeit von Coca Cola-Produkten und dem zivilisatorischen Stand bzw. der Lebenszufriedenheit der Bewohner eines Landes aufzeigt. Nordkorea liegt dabei am hinteren Ende der Skala...

Während man diesen beides Indices durchaus einen gewissen kulturimperialistischen Optimismus unterstellen kann, geht das mit dem von mir erfundenen Zahnspangen-Index nicht. Dieser sagt folgendes aus:
Je höher die mögliche Tragezeit einer Zahnspange - wenn man sie für bewegungsintensive Tätigkeiten absetzen muss - ist, desto höher ist bei diesem Menschen bzw. in diesem Land auch das Maß an Zivilisiertheit.

Ein weiteres Kapitel Kultur und Körper...

Was ist der Unterschied zwischen den folgenden Sätze:
1. Die Brille steht dir!
2. Das Hörgerät steht dir!
3. Die Beinprothese steht dir!
4. Das Bauchnabelpiercing steht dir!
5. Der Lippenteller steht dir!

Während wir im Falle der Brille die Behinderung nicht mehr als Behinderung wahrnehmen und ihr sogar umgekehrt einen ästhetischen Wert (oder: einen alltäglichen Fetisch) zuschreiben, würde uns so etwas bei einem Hörgerät oder gar bei einer Beinprothese kaum einfallen; so jemanden würden wir vermutlich als krank bezeichnen.
Um die Absurdität unseres ästhetischen Empfindens auf die Spitze zu treiben, hab ich die letzten beiden Sätze hinzugefügt. Denn ein Bauchnabelpiercing hat keinerlei Funktion; ich würde sogar sagen, dass es eher behindert, aber das wird natürlich von den Trägerinnen ganz anders gesehen. Bei einem Lippenteller jedoch würde jeder normale Mensch das direkt unterschreiben. Abschließende Frage: Ist also unser Verständnis von Ästhetik relativ zur Kultur oder sind wir einfach nur dämlich?

Sprüche (17)

Zivilisatorischer Hochmut: Nach dem Sex duschen gehen!

Der Höhepunkt der Kultur ist überschritten, wenn in einem Volk mehr Menschen sterben als geboren werden - weil es bequemer ist.

Das Analyse-Paradox: Entweder die Analyse ist bedeutungsgleich oder sie ist gar keine Analyse. Oder: Warum Schönheit mit Natürlichkeit zusammen fällt...

(Neu-??)Übersetzung von Ex 3,14:
"Ich bin ein Lebe-Wesen..."

Dienstag, 18. Januar 2011

Sportlerball des Jahres

Unabhängig davon, dass ich eine tiefe Abneigung gegen selbstbezüglichen Sport habe und dass auch über Showacts etwas zu sagen wäre, waren die Auftritte des Abends sehr bewegend und bis auf die Auszeichnung für meinen Mannschaftskollegen das bewegendste. Leider störte mich aber auch, dass dieser Sportlerball, angefangen beim Zwang zur Abendkleidung bis zur Übererfüllung dieser Anordnung durch die anwesenden 'Sportler', auch eine Aidsgala hätte sein können, so körperlich steril war die Veranstaltung. Diesen Menschen, manche erst an der Schwelle zur Reflexionsfähigkeit, hätte ich sagen sollen:
An euch ist heute abend gar nichts Sportliches. Dies ist die Stunde des widersprüchlichen und verächtlichsten Menschen, der sich selbst nicht mehr widersprechen und verachten kann.

Freitag, 14. Januar 2011

Vom Unglück der Atombombe

Wenn man sich für clever hält, dann könnte man behaupten, dass die Atombombe nicht die schlimmste, sondern die beste Erfindung aller Zeiten ist, da sie eine derartige Drohkulisse aufbaut, dass konventionelle Kriege komplett unmöglich werden.
Aber genau aus dem letztgenannten Grund ist sie für mich untragbar: Eine Tabula Rasa, eine Stunde Null, wie es sie nach dem 2.Weltkrieg gab, ist nie wieder möglich und damit sind die politischen Zustände zunächst zementiert. Dadurch werden letztlich aber kulturelle Unterschiede und kulturelle Konflikte immer zentraler, weil man sich nicht mehr traut, sich kriegerisch gegen einen Feind aufzulehnen. Die Atombombe führt somit dazu, dass sich die schwächere Kultur am Ende selbst aufgibt.
Außerdem befördert die Atombombe auch noch den Terrorismus. Denn wo keine spezielle Armee eines bestimmten Staates mehr als Feind auszumachen ist, da kann man nur noch Zivilisten treffen.
Aber wer denkt wirklich so weit, dass man für die Vision einer atomwaffenfreien Welt zwar den Friedensnobelpreis verdient hat, aber das ganz anders gemeint sein müsste, als es aktuell der Fall ist?

Donnerstag, 13. Januar 2011

Sprüche (16)

Für die meisten Jugendlichen ist die Pubertät der Zeitraum, wo die Welt im Kopf so reich wird, dass man nicht mehr rausgehen muss, um die Welt zu entdecken. Sie feiern Parties in engen Räumen - als die Höhepunkte ihres Lebens. Und spricht man sie darauf an, dass sie noch vor ein, zwei Jahren die Straßen bunt bemalt haben, so schämen sie sich noch dafür.

Das Ende der Pubertät: zu der Wand geworden zu sein, vor die man zuvor noch beständig gerannt ist.

Das Sexualtabu ist in unserer Kultur die Gummiwand, vor die man gerne rennt, weil und damit man nicht merkt, dass sich dahinter eine Betonwand aus Körperfeindlichkeiten zementiert hat.

EIN Umweltschutzparadox: Je grüner die Technologien, desto höher der Energieverbrauch - mit gutem Gewissen.

Eine Frau, die auf hohen Absätzen nicht hinfällt, ist wie eine Frau, die von ihrem eigentlich gewalttätigen Ehemann nicht geschlagen wird. Vermutlich werden beide ein unverrückbares Ideal vorschieben (Schönheit bzw. Ehe), das sie bei der Stange hält, sie werden sich sogar für ihr Durchhaltevermögen loben und sie werden zuletzt ihr Glück kaum fassen können. - Aber würde nicht jeder vernünftige Mensch trotzdem das Gefühl haben, dass da irgendetwas nicht stimmt?