Samstag, 1. Mai 2010

Schönheit und Ex-Opfer (Update)

1 Verschönerung ist das Gegenteil von Schönheit und nicht ihr Superlativ.
1.1 Für Verschönerung muss man sich für verschönerbar halten, also hässlich finden.
1.2 Je mehr man an Verschönerung glaubt, desto mehr glaubt man tun zu müssen, um zur Schönheit zu gelangen – aber man kommt niemals bei ihr an.
1.3 Auch die Schönheit eines Objektes „an sich“ im willenlosen Anschauen (z.B. Sonnenuntergang) ist noch Verschönerung, weil man sich selbst noch nicht als Maß aller Schönheit erkannt hat.
1.4 Selbst all das, was der Himmel jemals sein kann, was Gott jemals für den Menschen tun kann, womit Gott den Menschen jemals angehen kann, unterschlägt noch Inhalt und Schönheit des Lebens.
2 Aus Opfern werden Ex-Opfer.
2.1 Durch meinen Blick auf meine Abhängigkeit und Endlichkeit bekomme ich den Hang, die Wirklichkeit mit meiner Denkbarkeit und Wünschbarkeit zu rechtfertigen.
2.2 So sehr ich aber auch mein Leben bejahen will, so sehr bejahe ich doch nur meinen Ja-Nein-Dualismus, meine zuerst überwundene und dann mit eigenen Gründen wieder eingeführte Moral, mein gutes Gewissen – und zwar unabhängig vom Inhalt.
2.3 Da jede mögliche Kultur Opferung der eigenen Schönheit und Lebendigkeit und Körperlichkeit bedeutet, bekommt das Leben Inhalt und Schönheit genau dann wieder, wenn das gute Gewissen und alle Kultur überwunden sind.
2.4 Zwar gab es noch nie ein kulturloses Lebewesen, nicht einmal ein Tier, aber dennoch ist Kultur nur eine kontingente Eigenschaft des Lebens.
2.5 Daher schafft man zuerst die physischen Elemente der Kultur ab, so dass die kultiviertesten Menschen sterben und die leiblichsten Menschen leben.
2.6 Als Konsequenz daraus verschwindet auch noch die Kultur im Kopf, das gute Gewissen, der Zwang zur Bejahung, der Glaube an die eigene Sterblichkeit, überhaupt das Denken, weil das nun entdeckte Leben so reich ist, dass das Denken kein „Überlebensvorteil“ mehr ist – eher das Gegenteil.
2.7 Damit löst sich endlich die Paradoxie der Frage nach der Würdigung des Körpers, denn der Körper ist: Nicht „res extensa“, nicht "durch die Seele geformter Leib", nicht „die Gene“, nicht "die Triebe", nicht "die Sinne", nicht "die Organe", nicht "Ästhetik", nicht „Fitness“, nicht "Hülle" - sondern im Wald des Warmen Regens ist der Körper als das perpetuum mobile des Lebens die unüberholbar maximale (superlativische), nicht mehr selbstvernichtende, nicht mehr selbsterniedrigende, lebendige Vereinigung von Willigkeit und Möglichkeit und Fähigkeit.
2.8 Wald des Warmen Regens, äquatorialer Regenwald, Tageszeitenklima, Essen, Trinken, Laufen, Rennen, Springen, Klettern und Schlafen
3 Solange der Wald des Warmen Regens eine Anschauung, ein Ideal bleibt, so ist er die radikalste Form der Kultivierung, der Selbstopferung, der Entkörperlichung, der Verschönerung, als Teil meines guten Gewissens Denken par excellence.

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