Mittwoch, 27. Juni 2012

Zu den Voraussetzungen und Grenzen eines selbstbestimmten Lebens

Es ist eine Aufgabe des Jugendlichen, dass er erwachsen wird; und im besten Fall führt er danach ein selbstbestimmtes Leben mit selbst gesetzten Herausforderungen, Zielen und Siegen.
Voraussetzen muss man dabei folgende Dinge:
1. Die Menschen sind potenziell fähig, zur Freiheit zu gelangen.
2. Die Menschen sind potenziell willig, zur Freiheit zu gelangen.
3. Eine Gesellschaft, in der jeder Einzelne sein Ziel erreicht hat. ist potenziell möglich.
Vermutlich stecken genug Fähigkeiten in jedem Menschen, um wirklich frei zu sein, jedoch ist es von so wenigen Menschen gewünscht, dass viele angepasst durchs Leben gehen und möglicherweise gar nicht merken, dass sie noch viel mehr Freiheit gewinnen könnten. Würde aus solcher Freiheitshoffnung jedoch tatsächlich bei allen Menschen Realität, so hätte man sich noch zu fragen, ob dabei nicht unsere gesamten Konventionen den Bach runtergehen würden. Allerdings zeigt sich weltweit zur gleichen Zeit, dass unreflektierte, überkommene Traditionen irgendwann immer zu Grunde gehen und dadurch den Weg frei machen für die Eigenverantwortlichkeit der Menschen. Man kommt im Grunde gar nicht umhin, die Meinung zu vertreten, dass Freiheit und (Werte-)Gemeinschaftlichkeit sich gegenseitig nicht nur nicht ausschließen, sondern sogar wechselseitig bedingen. Ebenso gründet sich der langfristige Wohlstand einer freien Welt nicht auf der Ausbeutung abhängiger, weit entfernter Menschen, sondern gerade auf dem Lockruf der Freiheit, der unaustilgbaren Verheißung zur Selbstbestimmung, also dem Gegenteil des Kulturimperialismus.
Begrenzt wird das Ganze natürlich - leider - durch die Unfähigkeit des Menschen ewig zu leben. Zeugung und Erziehung von Kindern sowie Pflege der Kranken, Schwachen und Alten hat nämlich einen so (selbst-)verpflichtenden Charakter, dass dabei die individuelle Freiheit des Erwachsenen auf der Strecke bleiben kann, so dass so mancher sich gerne in eine vermeintlich freie Phase der Post-Adoleszenz hinein flüchten möchte...
Die entscheidendes Grenze daran ist aber schließlich noch die Freiheit selbst. Denn unabhängig davon, ob alle Menschen frei sein können oder wollen bzw. ob eine solche Gesellschaft funktionieren könnte, wäre damit immer noch nicht gesagt, ob der Mensch sich damit selbst etwas Gutes tun würde. Er könnte nämlich selbstbestimmt und auch mit sich selbst versöhnt sein, ohne aber zu merken, wie sehr er sich dabei noch angelogen hat. Die Geschichte hat genug Beispiele dafür geliefert, vorerst und gerade in dieser Zeit pessismistisch zu sein. Die größten von Menschen verursachten Katastrophen nämlich erklären sich zuletzt immer aus einem Scheitern der Freiheit - nicht aus der Freiheit selbst.

Um nicht missverstanden zu werden: Es handelt sich bei diesen Ausführungen trotz aller Fragwürdigkeiten um eine Würdigung des wirtschaftlichen, politischen und moralischen Liberalismus und um eine Wertschätzung der persönlichen Entscheidung zur Selbstbestimmung. Und wer weiß, vielleicht bleibt ja wider den Pessimismus zu hoffen, dass der Mensch im Sinne der Selbstbestimmung schließlich auch den Körper nicht außen vor lässt, um zu einer Freiheit zu gelangen, die nicht mehr angezweifelt werden muss, die nicht mehr scheitern kann?

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